Es war ein Satz, der eher am Rande fiel: auf einer Bürgerversammlung in Hohnstein zum Thema Nationalpark vs. Naturpark ließ der Pirnaer Landrat Michael Geisler durchblicken, dass die Verwaltung von Aussig (Ústí nad Labem) ihm einen interessanten Vorschlag unterbreitet hat. Zehn, in Worten: zehn, historische Wanderwege, welche die Grenze überqueren, könnten reaktiviert werden.
Leider ging der Landrat nicht ins Detail, aber ich habe hier mal drei Kandidaten. Die alle drei nach offizieller Lesart verboten, aber noch mehr oder weniger vorhanden sind.
1. Der naheliegende: Großer Zschand
Warum der, ab Abzweig Hickelschlüchte, gesperrt ist, kann niemand so richtig erklären. Die Verbindung sticht auf Landkarten geradezu ins Auge. Ein wunderbarer Weg in Richtung Rainwiese (Mezní Louka) wäre hier möglich. Besonders schräg: auf genau diesem Weg versprach einst ein gewisser Kurt Biedenkopf (der Herrgott hab ihn selig) grenzenloses Wandern im geeinten Europa. Pustekuchen, die „Mensch-aus-der-Natur-Herausschützer“ haben dicht gemacht. Bis zum Bau der Uferstraße in Herrnskretschen (Hřensko) in den 1930er Jahren war das sogar die Hauptverbindung nach Böhmen. Und für die Feuerwehr bei den verheerenden Waldbränden ein wichtiger Zugangsweg, weshalb hier jetzt auch alles wieder freigeschnitten ist. Zügig öffnen!
2. Der schönste: Fremdenweg
Zwischen dem Großen Winterberg und dem Prebischtor ging – und geht noch heute – der Fremdenweg entlang. Parallel dazu auch der Grenzweg, das nimmt sich nicht viel. Traumhafte Landschaften, jede Menge interessante Felsmurmeln und die gigantische Aussicht am „Neuen Kanapee“ waren Höhepunkte. Nachdem sich auch hier die Feuerwehr Platz geschaffen hat, und auf dem Kanapee gar Hubschrauber gelandet sind, sind beide Wege wieder hervorragend begehbar. Irgendetwas Gefährdetes, was kreucht und fleucht, gibt es dort nicht, aber dafür jede Menge Blaubeeren. Den direkten Zugang zum Areal des Prebischtors versperrt derzeit noch ein Tor, welches auch einen T-34 aufhalten könnte. Aber da muss doch was zu machen sein.
Blick vom Fremdenweg auf das Prebischtor
Aussicht “Neues Kanapee”
3. Der Wunschtraum: Schönlinder Brücke und Kerbensteig
Hier ist es etwas komplizierter, denn diese Wege sind nicht mehr komplett begehbar. Die Schönlinder Brücke als solche überspannte einst die Kirnitzsch bei Hinterhermsdorf. Durch das „Schwarze Tor“ konnte man dann weiter bis zur Balzhütte (Na Tokáni) laufen. Nach 1945 wurde die Brücke abgerissen, dieweil die Tschechen den Deutschen (aus gutem Grund) nicht mehr über den kurzen Weg trauten. Die Fundamente stehen aber noch, ein Wiederaufbau sollte also mit geringen Mitteln möglich sein. Leider ist auch der Zugang zur Brücke vom Hauptwanderweg aus nur noch schwer zu begehen. Teilweise natürlich gefallene, teilweise aber auch bewusst zwecks Verbarrikadierung gefällte Bäume, erschweren hier das Fortkommen. Sollte aber in zwei Tagesschichten von robusten Waldarbeitern zu klären sein.
Fundamente der Schönlinder Brücke
Schwieriger wird es beim Kerbensteig, der kurz oberhalb der Brücke beginnt. Hier fehlen seit Jahrzehnten mehrere Stege über tiefe Felsspalten und zwei Brücken über die Kirnitzsch. Denn tatsächlich pendelte dieser Weg immer zwischen Deutschland und Böhmen hin und her. Er wurde 1836 als erster Weg ganz ohne wirtschaftlichen Hintergrund, sondern nur für die „Sommerfrischler“ angelegt. Und galt bis 1945 als einer der schönsten Wege im ganzen Elbsandstein. Um ihn zu reaktivieren, bedarf es also eines gewissen Aufwandes – Stege, Brücken, Geländer. Aber auch das sollte mit einem überschaubaren fünfstelligen Betrag (ich sage mal: drei „unbegleitete Minderjährige“ weniger pampern) machbar sein.
Der Wegweiser könnte dann so aussehen wie auf dem Eingangsfoto. Welches derzeit natürlich nur ein Fake ist. Aber man kann ja mal träumen.
Gespannt bin ich, mit welchen Argumenten die professionellen Naturschützer diese Vorschläge jetzt vom Tisch zu wischen versuchen werden. Ich tippe mal, dass die streng geschützte gemeine Sumpfschnerpelschnepfe und der ebenso gefährdete verknotete Stengelfuß fröhliche Urstände feiern werden.
Vielleicht brauchen die Behörden „Fachleute“ über die genauen Wegeführungen, die sollten sich finden lassen, auch und gerade hierzulande.
Das mit den zehn Wegen war sicherlich nur eine fixe Idee in Zusammenhang mit der Waldbrandvorsorge und so dahingesagt, aber offensichtlich ohne genaueres Hintergrundwissen und ohne Kenntnis des Gebietes geäußert. Da gibts auch zu viele Gegner und Naturschützer gegen so ein Vorhaben. Denn welche 10 Wege könnten das sein? So viele wichtige Wege gibts gar nicht. In Frage kommen z.B. Fremdenweg, Übergang Weberschlüchte/Prebischtor, Großer Zschand, Stimmersdorfer Steig, Großer/Kleiner Ziegengrund (mit extrem viel Aufwand/viele umgestürzte Bäume/fehlende Brücke), und die Schönlinder Brücke. Macht insgesamt 6 Stück. Dann gäbe es noch einen Pfad unterhalb am Winterberg in Richtung Silberwände. Alles andere sind kleine Pfade. Der Kerbensteig wird nie wieder offiziell begangen werden können, ich war im März 2023 dort, er ist viel zu kaputt, eine Reparatur wäre viel zu teuer. Viele Kilometer Wege und Pfade sind immer noch allein auf der Ostseite der Thorwalder Wände komplett unzugänglich, bekannte Klettergipfel seit 4 Jahren nicht erreichbar, rundum ein einziger riesiger Feuerholzhaufen, davon ist seitens der Nationalparkverwaltung überhaupt keine Rede, sich mal drum zu kümmern, oder paar Wege freizuschneiden. Wenns dort mal brennt, gibts die nächste Katastrophe.
Klingt erst einmal vielversprechend, hab war da explizit von der Böhmischen Schweiz die Rede? Wenn die Verwaltung von Aussig das plant wird wohl deren gesamter Landkreis gemeint sein. Die 10 Grenzübergänge könnten also von Osterzgebirge bis Schluckenauer Zipfel alles mögliche sein…
Querverweis auf unbegleitete Minderjährige in einem Text über grenzenloses Wandern?
Die finanziellen Mittel für den jeweiligen Bedarf kommen ja nicht aus dem selben Topf, aber das weißt du vermutlich selbst.
Die Grenzübergänge sind 1. Silberwand, 2. Fremdenweg, 3. Obere Weberschlüchte, 4. Großer Zschand, 5. Stimmersdorfer Weg, 6. Ziegengrund, 7. Rabensteine/Hinterdittersbach, 8. Schönlinder Brücke und 9. und 10. die beiden Kirnitzschbrücken an der Niedermühle.
Es sollen aber 10 Übergänge sein, die es momentan nicht gibt, Rabensteine/Hinterdittersbach gibts ja schon, auch die eine Brücke an der Niedermühle mit dem Holzsteg. Wären also insgesamt nur 8. Diese Übergänge wären, abgesehen von kleinen Pfaden und den Brücken am Kerbensteig, fast wieder auf dem Stand von vor 1945. Und das geht auf gar keinen Fall, schon wenn man allein daran denkt, am Fremdenweg/Grenzweg, daß dort jetzt wieder aus “Naturschutzgründen” kontrolliert werden soll, weil der (verbrannte) Grenzbereich “Rückzugsort für empfindliche Tierarten” (O-Ton NPV) sein soll, fragt sich nur, welcher Tiere, denn Namen werden nicht genannt. Es ist sinnlos, sich auf irgendwelche zu öffnenden Wege Hoffnungen zu machen, denn die Leute, die sowas versprechen, haben seit 1945 ihre Versprechungen zu 90% noch nie eingehalten. Man kann ja (angeblich) nicht mal den Gabrielensteig bis 31.12.2023 begehbar machen, und da will man andere seit Jahren verlotterte Wege reaktivieren? Vergesst es. “Gesegnet ist der, der nichts erwartet. Er wird nie enttäuscht werden.” (Alexander Pope)
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