Zunächst sei gesagt: bei trockenem Wetter macht diese Runde sicher Jedermann eine Menge Spaß. Uns aber überraschte ein Wolkenbruch allererster Güte. Danach waren ein Teil der Wege nur noch schlammige Suhlen, und der eine oder andere steile Abstieg über altes Sandsteinpflaster wurde zur Balanceübung. Zudem sind derzeit verschiedene Waldwege durch schwere Technik, mit der die Käferbäume geerntet wurden, böse zerwühlt. Also: am besten noch ein wenig warten, bis die Waldwege wieder besser passierbar sind. Und auf einen Tag spannen, an dem die Regenwahrscheinlichkeit sich Null Prozent annähert. Von unten.
Aber genug geunkt, laufen wir los. Start ist am Bahnhof in Schöna. Von dort aus gibt es zunächst nur einen Weg, bequem bergan.
Noch ehe wir das erste Haus des Ortes erreichen, zeigt ein Wegweiser nach scharf links. Hier beginnt jetzt der Forststeig, dem wir eine ganze Weile folgen werden. Im Gelände ist der immer durch einen senkrechten gelben Strich markiert, der einfach an Stämme gemalt wurde.
Schon nach einer kurzen Strecke sehen wir zu unserer Rechten alte Steinbrüche. In einem davon finden sich merkwürdige Kerben im Stein, deren Sinn ich mir nicht so recht erklären kann. Vielleicht weiß ja ein Leser mehr.
Und dann passierte es auch schon: die Schleusen öffneten sich und die vorhergesagten 15% Regenwahrscheinlichkeit kamen runter. Und zwar für die nächsten 14 Tage im Voraus. Aber: Timing ist alles, just in diesem Moment zeigte sich rechts eine nette Boofe. In der wir eine knappe Stunde ausharrten.
Na endlich, die Schifferei hat aufgehört. Wir gehen also los, erstes erwähnenswertes Ziel ist der Schiebbach. An dessen Ende stand einst eine Mühle, weshalb sich im oberen Teil Stauanlagen befinden. Nach dem Platzregen waren die voll und auch der Bach zu einem beachtlichen Strom angeschwollen. Es gab also schöne Wasserfälle zu sehen.
Doch, oh Schreck, die gelbe Markierung zeigt uns an, dass wir den Bach überqueren müssen. Ohne Brücke. Was bei Niedrigwasser ja kein Problem sein sollte. Aber gerade ist da deutlich mehr an Flüssigkeit unterwegs. Also die Dritten zusammen gebissen und einen kräftigen Hüpfer getan. Na also, ging doch.
Im weiteren Verlauf sehen wir dann noch einen prächtig erhaltenen Forstgrenzstein, ein kleines Stück Käferwald und einen wirklich herrlichen Pfad zu unseren Füßen.
Nach einem kurvigen Abstieg stehen wir am Gelobtbach. Auch der ist mehr als gut mit Wasser gefüllt. Und bildet hier direkt die Grenze zu Tschechien.
Der gelb markierte Forststeig folgt zunächst ein Stück dem Bach und steigt dann leicht auf die Höhe an. Hier lohnt es sich, mal einen Blick zurück zu werfen. An der Felswand in der Ferne kann man das rote Dach des Restaurants am Prebischtor erkennen. Ein Teleobjektiv hilft da aber nicht weiter, ein Fernglas tut aber Wunder.
Suchbild: wo ist das “Falkennest”?
Im Folgenden kamen wir dann an ein paar recht ärgerliche Wegstücke. Schwere Forstmaschinen und der alles aufweichende Regen sorgten für ein prima Schlammbad. Soll ja gut gegen Rheuma sein. Trotzdem sahen wir danach aus wie Schweine. Und die Klamotten waren auch dreckig.
Aber auch das ist mal geschafft, und an einer größeren Kreuzung verlassen wir dann den Forststeig. Es geht nach links weg, ab jetzt einer grünen Markierung und dem Hinweis auf das Böhmische Tor gefolgt.
Das Böhmische Tor ist dann aber gar kein Tor. Sondern ein simpler Grenzübergang im Wald. Wir latschen durch.
Das wir jetzt im Böhmischen sind, bemerken wir sofort. Denn sogleich empfängt uns ein liebevoll gestaltetes Bänkchen. Ich frag mich bei diesen Teilen, die es in hunderten Varianten in Böhmen gibt, immer wieder, wieso das auf unserer Seite nicht geht. Na ja, man muss eben wollen. Also erst mal die Bemmen rausgeholt.
Noch ein Stück geradeaus, jetzt auf breitem Weg und immer noch grün markiert, kommen wir zu einem richtigen Rastplatz. Der heißt U Buku (also: unter den Buchen), was zweifelsohne stimmt.
Von dort noch 50 Meter geradeaus, dann links weg, jetzt mit gelber Markierung. Zunächst wieder auf breitem Waldweg, bis zu einem kleinen Weiher. Ein altersschwacher Wegweiser zeigt hier nach rechts Kamenka an. Was man grob mit “Steinweg” übersetzen kann. Im Deutschen spricht man allerdings vom Lehmischgrund. Der gleichnamige Bach sprudelt neben dem Weg dahin.
Der eigentlichen Besonderheiten sind es aber zwei: zum einen ist der Weg komplett mit alten Sandsteinpflaster belegt. Das haben unsere Ahnen, vermutlich um 1880 herum, sogar in geometrischen Formen verlegt. Und zum anderen war dieser Weg über Jahrhunderte (eigentlich bis zum Bau des Elbradweges nach 2000) die einzige landseitige Verbindung, die zumindest mit Fuhrwerken zu befahren war, nach Niedergrund (Dolní Žleb). Was für eine Leistung.
Allerdings sprudelte der Bach heute nicht nur neben dem Weg, er sprudelte auch fröhlich darüber weg. Ein lustiges Hüpfen über glattes Sandsteinpflaster folgte. Aber schöne Wasserfälle gab es zu sehen.
Nach einer Kreuzung, an der das gemeine böhmische Waldschwein gehaust hat…
… geht es nach links weiter. Der Weg ist hier nicht mehr überspült, aber immer noch mit altem Pflaster belegt. Und das ist nass. Was um so misslicher ist, als der Weg immer steiler wird. Die letzten Meter vor Niedergrund formulieren wir das eine oder andere Stoßgebet. Aber es gibt noch einen richtig schönen Wasserfall zu sehen.
Im Ort finden sich dann zwei Kneipen, die Kirche der heiligen Dreifaltigkeit und vor allem deren hochinteressanter Friedhof.
Der hat im unteren Teil einige neuere tschechische Gräber, dazu einige alte deutsche Gräber, einen Gedenkstein für die Opfer des 1. Weltkrieges und ein Mausoleum.
Ist es wirklich das, was ich sehen glaube?
Das Mausoleum gehörte der Familie Gintl, Patriarch Friedrich-Wilhelm war Professor in Prag. Er starb 1908, seine Frau ließ dann die Grabanlage bauen. 1952 hat dann die Tschechoslowakei die Gruft enteignet, und seitdem gammelt sie vor sich hin. Leider ist der Zustand bedenklich, hier sollte bald was unternommen werden.
Zurück vom Gottesacker gehen wir ein Stück elbabwärts bis zum Bahnhof von Niedergrund. Hier beginnt ein weiterer recht interessanter Weg, grün markiert. Interessant deshalb, weil ziemlich massive alte Einbauten, Treppen, eine eingefasste Quelle und viele Begrenzungssteine darauf hindeuten, dass der Weg einst wichtiger war als heute. Genaueres weiß ich leider nicht.
Von diesem Weg aus hat man auch einen ganz neuen Blick auf die bekannte Aussicht Belveder hoch über dem anderen Elbufer.
Schließlich endet der Weg wieder kurz vor dem Ende des Gelobtbachtals. Die letzten Meter abwärts führen durch eine sogenannte Husche, eine Sandsteinrinne, auf der man einst Bäume ans Elbufer rutschen ließ. Rutschen? Genau, das ist sausteil und natürlich wieder feucht. Gaaanz vorsichtig, immer einen Fuß vor dem anderen, auf dass man nicht auf die Stürze schnauzt oder sich den Steiß prellt. Es sind nur rund 50 Meter, dann stehen wir am Elbradweg vor der Gelobtbachmühle.
Zurück nach Schöna geht es auf dem Elbradweg. Auf halber Strecke halten wir kurz inne und legen eine Schweigeminute für meine verblichene Lieblingskneipe in Herrnskretschen ein.
Und erreichen so wieder den Bahnhof.
Fazit: 20 Kilometer. Eine herrliche Runde in einer sehr ruhigen Gegend. Jede Menge kleine und große Höhepunkte. Trotz Regen, Schlamm und rutschigen Abstiegen ein Heidenspaß. Kommt in meine Top-10.
Zum Nachwandern:
Vielen Dank an Wanderfreundin Heike, die hier ein paar Fotos beigesteuert hat.
Die Kerben an dem Felsen im Steinbruch sollten Spuren von Eisenkeilen sein, mit denen man Teile des Felsens abgespalten hat. Entweder, um einen schönen Block zur weiteren Verarbeitung zu gewinnen oder um den Weg für Lastentransporte freizumachen.
Hallo,
ein schöner Beitrag und recht naß ringsherum.
Die Kerben an den Sandsteinblöcken könnten von Spaltkeilen sein.
Damit kann man sanft Steinblöcke teilen, abspalten. Ähnliches sieht man am Straßenrand von Schmilka Richtung Zwieselhütte.
🙂
Nach Niedergrund der geheimnisvolle Weg, die Mauern, Treppen usw. gehörten früher zum Niedergrunder Ortsteil Klopot/Klopoty.
https://de.mapy.cz/turisticka?x=14.2203309&y=50.8571723&z=19&l=0
Der Ortsteil mit über 30 Häusern wurde nach 1945 wegen der Grenznähe abgerissen. Siehe auch hier, z.B. 2. und 3. Foto:
http://www.zanikleobce.cz/index.php?obec=5735