Über die Osterfeiertage, so wie auch über Pfingsten, fliehe ich schweren Herzens aus der Sächsischen Schweiz, dieweil mir da einfach zu viel Begängnis herrscht. Also ab ins Osterzgebirge, wir wollen zu einem Berg namens “Stürmer” (Bouřňák) wandern. Eines vorweg: das hat sich gelohnt. Aussichten par Excellence, schöner Wald, wenige Mitwanderer. Ein voller Erfolg. Also los, zum Nachwandern.
Im Großen und Ganzen folgen wir auf dieser Touren den Empfehlungen aus Peter Rölkes Wanderführer für das Osterzgebirge. Was, wie immer bei den Produkten aus diesem Verlag, prima geklappt hat. Bis auf eine Ausnahme, aber da steckte der Teufel im Detail. Dazu später.
Zunächst geht es erst mal mit dem Auto nach Neu-Rehefeld. Ein Nest, welches aus weniger als zehn Häusern besteht und direkt an der Grenze liegt. Hier gibt es einen Parkplatz und wir latschen rüber ins Böhmische, jetzt heißt der Ort Moldau (Moldava).
Gleich die erste Straße dann nach links. Oha, hier herrschte wohl einst fröhliches Markttreiben. Vorbei, die meisten Stände der vietnamesischen Händler sind verwaist. Weiter geradeaus, auch der Bahnhof zur Linken macht einen schäbigen Eindruck. Dafür wird die Straße jetzt zum Waldweg, markiert mit einem gelben Strich.
Eigentlich kann man sich nicht verlaufen, die Wege sind hervorragend gekennzeichnet. Dann aber schlug der Wandertod zu: an einer Kreuzung verkündete unser Wanderführer: “Wir folgen ab jetzt dem roten Strich entlang des Baches”. Klare Sache, roter Strich war da, Bach war da, es ging nach links ab. Hätte ich doch nur mal die Augen aufgemacht. Denn nicht nur nach links gab es einen roten Strich und einen Bach, sondern auch geradeaus. Was richtig gewesen wäre. So sind wir also frohen Mutes falsch abgebogen. Und haben noch ein paar schöne Natureindrücke zusätzlich mitgenommen.
Falscher Weg, schöne Natur.
Weshalb mir allerdings erst nach rund 2,5 Kilometern so langsam der Gedanke kam, dass hier etwas nicht stimmen könnte, nun, das ist nur mit dem fortschreitenden Alter zu erklären. Als der Groschen dann gefallen war, sind wir umgekehrt und haben die Tour somit um fünf Kilometer verlängert. Damit ihnen das nicht auch passiert, merken sie sich dieses Konstrukt:
Es steht an besagter Kreuzung, und hier geht es geradeaus und nur geradeaus.
Dies war dann aber auch die einzige Misslichkeit auf der Tour, und so erreichen wir, jetzt erstaunlich schnell und dem “richtigen” roten Strich folgend, die “Wittichbaude” (Vitiska). Erst mal einkehren. Die üblichen böhmischen Standards zu den üblichen niedrigen Preisen. Noch ein Tipp: wer keine Kronen dabei hat, kann natürlich in Euro bezahlen. Aber er sollte sich in Kronen herausgeben lassen. Warum? Auflösung weiter unten.
Von der Wittichbaude steigen wir dann sanft einen Hügel hoch (der rote Strich bleibt unser Freund), wobei wir unser Ziel, den Gipfel des “Stürmer”, schon gut im Blick haben.
An einer Stelle gibt es einen besonders schönen Ausblick, direkt darunter kann man auch die Gleise der Bergbahn sehen.
Eine Straße überqueren, und gegenüber am Waldrand entlang wird jetzt der Stürmer gestürmt. Übrigens: auch hier rote Striche als Wegzeichen. Und die sahen auch noch verdammt neu aus.
Oben dann alles, was zu einem Wintersportzentrum gehört: jede Menge Lifte und Pisten, dazu ein Hotel, welches geschlossen war. Ist eben keine Saison. Wanderer sah man fast keine. Dafür aber einen Hammer von einer Aussicht. Bis ganz weit rein in Böhmische. Herrlich.
So muss eine Aussicht aussehen.
Also auf zum Abstieg, der wieder mal mit einem roten Strich markiert ist und nach Klostergrab (Hrob) weist. Selbiger Abstieg macht einen Heidenspaß, ist aber, und dies als vorsichtiger Hinweis, am Anfang richtig steil. Immerhin geht es jetzt fast 500 Höhenmeter abwärts. Wer es also böse in den Gelenken hat, der sollte diese Tour vielleicht überdenken. Alle anderen stoppeln zunächst entlang der Skipisten steil zu Tale. Später führt der Weg dann durch wunderschönen Laubwald, und da ist das steilste Stück auch schon überwunden.
Schließlich kommen wir am völlig verwahrlosten Bahnhof von Klostergrab heraus. Wie jetzt, hier soll ein Zug fahren? Kaum denkbar. Aber doch, ein Zettel an der moderigen Tür verkündet: hier herrscht Zugverkehr. Vorher haben wir aber noch halbes Stündchen zeit und bummeln durch den Ort, der an diesem Ostersonntag die Bürgersteige nicht hochgeklappt hatte, weil es solche nämlich nur rudimentär gibt. Ein völlig verschlafenes Nest, kleiner Marktplatz, große katholische Kirche und die Fundamentreste einer protestantischen solchen.
In Klostergrab liegt der Hund begraben.
Also zurück zum Bahnhof. Tatsächlich fährt hier die Bergbahn, die uns zurück nach Moldau bringen wird. Man kann es kaum glauben. Und wenn ich das nächste Mal über Provinzbahnhöfe in Deutschland schimpfe, werde ich mir diesen hier in Erinnerung rufen und gleich milder gestimmt sein.
Der Zug fährt nur vier Mal täglich, da muss man mit der Wanderzeit ein wenig zirkeln. Hier die derzeit gültigen Abfahrtszeiten:
- 07:54 Uhr
- 10:27 Uhr
- 14:09 Uhr
- 17:16 Uhr
Fahrkarten gibt es direkt beim Schaffner. Und jetzt wissen wir auch, warum wir uns vorhin in Kronen herausgeben ließen: der Schaffner nimmt keine Euro! Dafür ist der Fahrpreis mehr als moderat. Wir haben, ein Erwachsener und ein Kind, 33 Kronen (1,30 Euro) bezahlt.
Das Züglein fährt jetzt über mehrere Viadukte, durch zwei Tunnel und vorbei an der einen oder anderen tollen Aussicht zurück nach Moldau.
Für Statistiker: wird es schwer, dieweil mein GPS ja den tollen Umweg mit aufgezeichnet hat. Mit diesem waren es 17,5 Kilometer, ich schätze also, wer besser orientiert ist, als ich es war, der braucht so um die 12 Kilometer. Außerdem bekam ich 1400 Höhenmeter angezeigt, davon aber erfreulicherweise 900 im Abstieg.
Mein tschechischer Lieblinsbahnhof ist Tanvald.
Hat sich anscheinend auf alle Fälle gelohnt 🙂 Wandere auch viel lieber an Orte, wo ich mal alleine sein kann und zur Ruhe kommen kann !
Ein schöner Bericht über die Wanderung .Ich bin 1941 in Klostergrab geboren. Ich habe in den 60 ziger Jahren noch die Strecke Neustadt-Moldau mit viel Wald erlebt. Deshalb erschien mir diese Kammhöhe 10 Jahre später trostlos. Dazu kommt noch,dass Neustadt nur noch wenige Häuser hat ,wovon heute nur noch Ferienhütten existieren.Noch ein Hinweis! Oberhalb des Bahnhofs befindet sich ein Hügel. Früher stand ein Gebäude darauf.Es gehörte dem Schützenverein des Ortes ,der Königshügel .Interessant ist auch die evangelische Kirche. Leider ist sie in einem erbärmlichen Zustand,aber es ist noch nicht zu spät, um sie zu erhalten. Viele andere Kirchen sind nicht mehr zu retten oder auch nicht mehr vorhanden. Ich stimme auch zu, dass in den früheren Jahren mehr leben (auch Geschäfte ) in Klostergrab vorhanden waren,doch jetzt ist der Zustand bedrückend. Leider haben meine Eltern den Ort ,die alte Heimat nie wieder besucht. Schön das jetzt Wanderer sich auf den Weg machen .Für mich ist es aus Altersgründen nicht mehr machbar! Bitte weiter so !