Gewimmel an der Brustwarze

Wer jetzt gehofft hatte, endlich einmal ordentliche Pornografie in diesem Blog zu entdecken, den muss ich leider enttäuschen. “Brustwarze” ist nämlich nur der Spitzname, den die findigen Tschechen dem neuen Aussichtturm auf dem Hutberg (Pastevní vrch) bei Rosendorf (Růžová) verliehen haben. Der Warzenturm ist erst seit wenigen Wochen offiziell eröffnet, und so bot es sich natürlich an, rund herum eine Tour zu unternehmen. Auf welcher wir obendrein noch an eine romantische Mühle kamen, diverse Aussichten genossen, frisch sanierte Wege goutierten, Kahn fuhren, einen Ranger übersahen und kultig einkehrten. Die Runde ist am Ende mit über 20 Kilometern recht lang geworden, und eine ganze Menge Höhenmeter waren auch dabei. Aber es hat sich gelohnt. Man möge mir folgen.

Beginnen wir also in Rosendorf (Růžová). Neben der Kirche gibt es eine ganze Menge kostenlose Parkplätze, da freut man sich doch gleich mal.

  Hier wird geparkt.

Sodann bewegen uns von der Kirche weg und treffen geschwind auf diesen Wegweiser:

Da halten wir uns rechts, Richtung Vyhlídka (Aussicht). Wir gingen dann ein Stück die stille Dorfstraße entlang, bis wir zu dieser kleinen Kapelle kamen, an der auch schon ein Hinweisschild zum Berg wartete.

Hier also lang, noch einen breiten Feldweg hoch, und schon sehen wir den Turm zu unserer Rechten.

Wer sich jetzt den GPS-Track am Ende des Textes ansieht, der wird bemerken: wir sind nicht nur hinter der Kirche, sondern mit der Kirche ums Dorf gelaufen. Es gibt direktere Wege nach oben. Aber letztlich hat sich der Umweg gelohnt, denn so konnten wir beim Abstieg noch einen kleinen Höhepunkt besuchen. Dazu aber später mehr.

Jetzt stehen wir erst mal vor dem Turm und stellen fest: da hat jemand Mut gehabt. Denn das Teil erinnert tatsächlich an eine Mischung aus Ufo und Brustwarze. Hat was, also mir gefällt er.

Gleich nebenan hat man auch noch einen Rastplatz eingerichtet. Dort erklärt auch eine Tafel, wie der Turm später mal aussehen soll: er wird von Ranken überwuchert. Da gefällt er mir dann gleich noch mehr.

Auf den Treppenstufen im Inneren sehen wir dann eine Menge Namen stehen. Wer für den Turm gespendet hatte, wurde so verewigt. Schöne Idee.

  Galerie der Wohltäter

Und durch die Luken im Turm hat man natürlich herrliche Aussichten. Drei davon mal hier:

  Richtung Rosenberg

  Zu den Zschirnsteinen

Hutberg-16  Zum Zirkelstein

Ganz großes Kino. Allerdings mit einem Nachteil: man kann sich nicht um die eigene Achse drehen und einen echten Rundblick genießen, weil eben nur Gucklöcher da sind.  Halb so wild. Obendrein waren wir nicht die Einzigen, die den Turm in Augenschein nehmen wollten: es herrschte wahrhaft Gewimmel um die Brustwarze.

Wir verlassen den Gipfel wieder und umrunden sodann den Berg auf einem bequemen Feldweg im Uhrzeigersinn. Und da macht der Umweg plötzlich Sinn, denn wir kommen an einem Mini-Glockenturm vorbei.

  Was will uns wohl der Künstler…

Heidideldei, da lacht das infantile Herz. Wir konnten nicht widerstehen:

Schließlich landen wir wieder bei der kleinen Kapelle:

  Da war ich doch schon mal…

Aber jetzt entdecken wir auch das Wegzeichen Gelber Strich. Und dem folgen wir eine ganze Weile, zunächst bis an eine Straße, wo wir uns links halten. Nur ein winziges Stück auf der Straße, und wir kommen an einen Waldparkplatz. Dort geht es nach rechts. Der Gelbe Strich führt uns jetzt, sehr bequem, eine längere Zeit auf einem Waldweg entlang. Wir kommen am Fuß des Rosenbergs vorbei. Masochisten können aufsteigen, aber ehrlich: es ist ein Geschinde, und oben gibt es nichts – weder eine Aussicht noch ein Wirtshaus. Also lieber links liegen lassen und weiter – gelbstrichig und bequem – dem Waldweg gefolgt. Der bringt uns nach Kamnitzleiten (Kamenická Stráň). Das wunderschöne Dorf hat 27 Häuser und exakt 9 Einwohner. Die restlichen Häuser werden als Wochenenddomizil genutzt. Eine Tafel klärt uns gleich am Ortseingang auf.

Direkt an der Tafel halten wir uns rechts, weiter dem gelben Strich hinterher. Hier begegneten uns dann eine Menge Mountainbiker im Gegenverkehr, aber damit muss man bei den fahrradverrückten Tschechen immer rechnen.

  Tour de Böhm

Angekommen an diesem Wegweiser, sollten wir den angezeigten Abstecher (Gelbes Dreieck) auf jeden Fall mitnehmen.

Denn er führt uns zu einer netten Aussicht mit Bänkchen, von welcher wir einen hervorragenden Blick ins Tal der Kamnitz (Kamenice) haben.

Obendrein lohnt es sich, hier einfach mal im Halbkreis alle umliegenden Felsen zu bewundern.

Wir kehren auf demselben Weg zurück und folgen weiter dem Gelben Strich. Der führt uns jetzt, auf einem netten und stoppeligen Pfad, immer weiter abwärts.

Schließlich landen wir an der Grundmühle (Dolský mlýn). Über diesen Ort und seine Geschichte habe ich nun wahrlich schon genug geschrieben. Deshalb nur so viel: die Ruine ist wunderbar romantisch, man kann auf Entdeckungsreise gehen, alte Treppen und Felsgelasse erkunden, sich vorstellen, wie hier einst der Fremdenverkehr samt Bootsfahrt brummte. Oder eben einfach nur die Optik auf sich wirken lassen. Kleiner Wehrmutstropfen: das wissen viele, hier sind wir nie allein.

Nun ja, mal wieder satt gesehen an der schönen Ruine. Wir überqueren diese Brücke…

…und biegen dahinter gleich scharf links ab. Der unmarkierte Pfad führt malerisch am Ufer der Kamnitz entlang.

Am Ende des Pfades versperrt ein Zaun den weiteren Weg, links davon sehen wir die Reste einer Brücke, die einst nach Rosendorf führte, rechts davon den Grab- oder Gedenkstein für einen Hund namens “Muf”.

Einschub: Die Blamage oder: wie blind darf man sein?

Hinter besagtem Zaun hört die Natur natürlich nicht auf, da geht ein Pfad weiter bis zu einer Höhle namens “Hohe Teufe”. Da darf man aus Sicht der Nationalparkverwaltung aber nicht hin. Als ich sie dennoch vor einiger Zeit besuchte, lag sie leider voller angeschwemmten Unrat. Also ein Grund, mal wieder nachzuschauen. Außer uns war da am Zaun noch ein Tscheche zugegen, Zottelhaare und Acht-Tage-Bart, rein äußerlich ein Vertreter der Tramp-Kultur. Ich setze also an, den Zaun zu übersteigen. Da kommt der Zottel gleich böse rufend auf mich zu gerannt. Und ich schaue genauer hin: Scheiße im Trompetenrohr, der hat ja eine Ranger-Uniform an! Wie blind darf man sein? Erkennt den Ranger nicht, wenn er vor einem steht! So eine Blamage. Aber der Kerl war gut drauf, beließ es bei einer Belehrung (auf Englisch) und komplimentierte uns auf den Kirchsteig, der legal begangen werden darf und aus dem Tal heraus führt.

Und damit weiter im Text:

Der Kirchsteig diente, wie es der Name schon sagt, dem sonntäglichen Kirchgang von Hohenleipa zur Kirche nach Rosendorf. Mangels Brücke über die Kamnitz ist dieser Weg heute nur noch zur Hälfte begehbar. Über viele Stufen, vorbei an einer kleinen Nischenkapelle, geht es aufwärts.

  Kirchsteig

Schon bald erreichen wir die ersten der schönen Umgebindehäuser von Hohenleipa (Vysoká Lípa), es geht noch ein wenig aufwärts und wir stehen am Dorfteich.

Wir könnten jetzt unseren Weg direkt nach links fortsetzen (Markierung Blauer Strich), aber es dürstet, und so begeben wir uns erst mal nach rechts in die Ortsmitte. Vor der Pension Zvoneček (Glöckchen) hat hier in der Saison ein Selbstbedienungskiosk geöffnet, wo man für kleines Geld der Unterhopfung den Kampf ansagen kann.

Wohl aufgetankt kehren wir also zurück zum Dorfteich und folgen dem Blauen Strich. Es geht vorbei am Naturschutzreservat “Hofberg” mit einem schönen Blick auf den allgegenwärtigen Rosenberg.

Danach auf einem bequemen Waldweg weiter. Nach links zeigt ein Wegweiser einen Abstecher zum Aussichtspunkt Ptačí kámen (Vogelstein) an. Kann man mitnehmen, muss aber nicht unbedingt sein. Die Aussicht ist ziemlich zugewachsen, und man sieht eh nur wieder den Rosenberg.

Dafür erreichen wir in Bälde die kultige Gastwirtschaft Zámeček (Schlösschen). Näheres dazu hab ich schon im vorigen Post geschrieben.

  Immer wieder ein Erlebnis.

Hier aber noch ein kleiner Auszug aus der Speisekarte, alles original zitiert:

  • Geräuchte Sproten
  • Bettler mit Senf und Käse
  • Eis mit Schlankshane

Lustig und lecker zugleich, hier wird mal länger gerastet und der Magen gefüllt.

Sodann geht es weiter dem Blauen Strich nach, über eine kleine Brücke kommen wir in den Soorgrund.

Alsbald geht nach links der Abzweig in die Wilde Klamm (Divoká soutěska) weg. Da werden wir nicht mehr allein sein, denn es folgt eine Bootsfahrt, die eine echte Touristenattraktion ist. Zunächst aber sichten wir mal den Weg, der teilweise auf künstlich angelegten Galerien am Fels entlang verläuft. Selbige Galerien hat man im vorigen Jahr einer Komplettsanierung unterzogen. Und man hat es prächtig hinbekommen: wo früher rostige Bleche des Wanderers Fuß beleidigten, schmeicheln heute natürliche Holzbohlen demselben. Sieht gut aus, passt prima in die Natur – so soll es sein.

  Wilde Klamm

Schließlich kommen wir zum Kassenhäuschen und kaufen eine Bootskarte. Die Preise sind human, Erwachsene zahlen 2,50 €, Kinder bis 15 Jahre und Rentner nur 1,50 €. Näheres zur Kahnfahrt und zu den Betriebszeiten hier.

Wir schiffen uns also ein. Die Fahrt dauert eine knappe Viertelstunde, der Gondoliere erklärt dabei zweisprachig die Ähnlichkeit diverser Felsen mit diversen Tieren. Mit viel Fantasie und weil er es eben sagt…. Die Landschaft in der Klamm links und rechts ist aber auf jeden Fall große Klasse.

Am Endpunkt angekommen folgen wir, jetzt wieder per Pedes, noch ein Stückchen dem Weg und kommen dann zur Stimmersdorfer Brücke.

 Über diese Brücke sollst du nicht gehen!

Diese überqueren wir aber nicht, sondern biegen scharf links ab (Grüner Strich). Es geht auf einem wirklich schönen – und kaum begangenen – Weg über viele alte Sandsteinstufen und ebenso viele Wurzeln knackig nach oben.

  Es geht aufwärts.

Da kommt man schnell ins Schnaufen, und so bietet es sich natürlich an, geschwind ein Blümchen zu fotografieren, um einen Vorwand zum Luftholen zu haben. Am Ende haben wir rund 150 Stufen und etwa 160 Höhenmeter geschafft.

  Ahh, ja!

Der Waldweg wird flacher, und wir erreichen die zwei (von ehemals fünf) verbliebenen Häuser des Miniortes Kuttelburg (Hájenky).

  Kuttelburg

Hier stößt das Wegzeichen Gelber Strich zu uns, und dem folgen wir jetzt. Es geht ein winziges Stück auf der Landstraße entlang, dann auf eine Nebenstraße von Rosendorf. Dort können wir noch eine sehr merkwürdige verkehrsberuhigende Maßnahme bestaunen.

  Grübel, grübel…

Schließlich landen wir wieder hinter der Rosendorfer Kirche und sind somit am Ziel.

  Angekommen

Fazit:
21,5 Kilometer und reichlich Höhenmeter, das ist recht anspruchsvoll. Dafür aber auch vollgepackt mit jeder Menge Höhepunkten. Am “Brustwarzenturm” dürfte der Andrang in den nächsten Monaten nach der ersten Neugier sicher wieder nachlassen, bei der Kahnfahrt in der Wilden Klamm ist das eher nicht zu vermuten. Alle anderen Wege sind mehr oder weniger einsam. Meine persönliche Lieblingstour bisher in dieser Saison.

Zum Nachwandern:

Und immer mal wieder dran denken: ein Klick auf die Werbung oben rechts sichert mir die nächste Knoblauchsuppe!

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14 Gedanken zu „Gewimmel an der Brustwarze

  1. Anmerkung zum Kirchsteig: Dort fehlt die Brücke, aber man kann die Kamnitz an dieser Stelle problemlos durchwaten und auf der anderen Talseite aufsteigen. Das ist zwar nicht erlaubt, machen aber viele, sonst wäre der Weg am anderen Ufer nicht so ausgetreten.

    1. Hallo Friedrich, könntest du es vielleicht genauer beschreiben welche Brücke du meinst? Weil so wie ich es verstanden habe, überquert man die Kamnitz an der Grundmühle (meinst du etwa die Brücke?) und wandert dann auf der rechten Seite bis zum Kirchsteig und diesen dann rechts hoch nach Hohenleipa-ohne nach der Grundmühle nochmal die Kamnitz gequert zu haben.

      1. Friedrich meint, dass es einst noch eine Brücke gab: der Kichsteig endete damals nicht an der Kamnitz, sondern führte über diese hinweg und weiter nach Rosendorf. Die Fundamente der Brücke sieht man noch. Man könnte also an dieser Stelle durch die Kamnitz waten und direkt nach Rosendorf gehen. Dann würde die Tour um Längen kürzer, Hohenleipa, das Zamecek und die Kahnpartie würden rausfallen.

  2. Ah so, jetzt kapier ich das. Der Pfad ist übrigens bei OpenStreetMaps eingezeichnet inkl. Kamnitzdurchwatung (so deute ich mal das Symbol)

  3. Versprochen, wenn man vom zugucken nicht dick wird, muss man tüchtig essen, gerne auch mit Vorsuppe, auch wenn`s dann länger dauert, von den Rangern ungesehen im Gebüsch zu landen.
    Was anderes, kannst Du Deine Beiträge verschlagworten, um damit gezielt nach Punkten zu suchen. Verstehe mich jetzt nur nicht falsch, mal ebend so als kleine Gegenleistung? Ich bin überhaupt nicht faul, aber das Datum ja gut…. und rückwärts blättern ist auch nicht so dolle. Ich bin gestern einen Weg mit vielen Steinen lang und wollte eine Brücke von hinten erreichen erreichen, da wurde es dann ganz schön unwegsam. Zu guter letzt stand ich vor 15 m Abhang, jetzt kenne ich den Weg ganz genau. Also gegoogelt, der Axel hat da was in Petto und wird auch nicht böse sein, wenn meine Pfadfindersinne nicht ganz so ausgeprägt sind.

    1. Ich glaube nicht, dass ich mir die Mühe mit Schlagworten machen werde. Aber vielleicht hilft dir ja die Suchfunktion. Da ist eine kleine Lupe über dem Werbebanner, anklicken und Stichwort eingeben.

  4. Noch ein Original – Zitat aus der Speisekarte
    vom Hotel Zamecek:
    Gefühlte Hühnerbrust…..
    (haben wir aber noch nicht probiert…)

    Der “zottelige” Ranger hatte sich vielleicht
    extra getarnt……, aber gut zu wissen…
    dort haben wir allerdings noch nie
    einen Ranger getroffen… Ansonsten
    klingt das nach einer tollen Tour, das
    werden wir in 14 Tagen mal probieren…

  5. Wir haben vor Kurzem nach dem Hutberg noch den Rosenberg bestiegen, das hatten wir schon lange geplant. Da wir nicht gern den gleichen Weg zurück gehen, sind wir in Richtung Süden wieder abgestiegen und haben dann den Rosenberg im Uhrzeigersinn Richtung Hutberg umrundet.
    Als Karte habe ich mapy(Punkt)cz verwendet, dort führt der Weg direkt an der Grenze zum Nationalpark entlang. Der Weg war gut zu erkennen aber so mit Gestrüpp zugewachsen, dass man kaum durch kam. Erst nach einer Weile traf man wieder auf einen breiteren Weg. Später habe ich bei OpenStreetMap gesehen, dass dort der Weg etwas weiter südlich eingezeichnet ist. Ist jemand auch mal diese Runde gelaufen? Gibt es dort einen zweiten Weg?

      1. Vielen Dank für den Hinweis. Diesen Weg bei Komoot bin ich gegangen, leider hat an diesem Tag mein GPS nicht aufgezeichnet.
        Auf der Karte von Komoot ist ja auch der Weg weiter südlich zu sehen. Ich hätte nicht erwartet, dass die verschiedenen Karten so sehr voneinander abweichen.

        1. Das ist meistens ein Karten-Problem. Vergleich mal Mapy.cz mit Komoot. Wenn du die Möglichkeit hast zum Vergleich die Topo CZ von Garmin. Nichts gegen Komoot , aber die Topo von Garmin ist für meine Begriffe und Zwecke unübertroffen. Aber das ist nur meine persönliche Erfahrung und Einschätzung . Weiterhin fröhliches Wandern.

  6. Was soll der Glockenturm in einen ehemals katholisch geprägten Land ? Vielleicht fehlt auf der Aussichtskuppel (Turm ist finde ich übertrieben) ja auch nur ein Halbmond.
    Der zottlige Rancher ist eigentlich recht bekannt als einer “Scharfen”. Wird dann wohl im Alter auch nicht besser werden. Nach meinen Informationen wohnt er in Hohenleipa.

    Ahoi Berg Heil und Glück auf

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