Mit allen verschissen Wie die Nationalparkverwaltung so ziemlich jeden verprellt

Borki

Das hat kräftig eingeschlagen, einen Tag vor Himmelfahrt. Wander- und Bergsportverbände (DAV, SBB), der Tourismusverband, zahlreiche örtliche Bürgermeister und auch der Landrat wenden sich gemeinsam an den sächsischen Ministerpräsidenten, auf das dieser die unhaltbaren Zustände im Elbsandstein kraft seines Amtes beende. Eine Übersicht zu den Schreiben findet sich HIER.  Hintergrund sind an die 100 Kilometer unpassierbare Wanderwege und –pfade in der Sächsischen Schweiz. Der Borkenkäfer hat ein Festmahl gehalten, der eine oder andere Sturm tat sein Übriges. Und die Nationalparkverwaltung hat klar zu verstehen gegeben, dass sie, von einigen punktuellen Ecken abgesehen, nichts zu unternehmen gedenkt.

Was mir dazu einfällt:

  1. Die Vorgänge zeigen einmal mehr, das die sogenannte “AG Wege” weniger ein Tiger, sondern vielmehr ein Bettvorleger ist. Alle Vertreter in diesem Gremium, ausgenommen die der NPV, haben ein zügiges Handeln gefordert. Ein schlichtes “Nö!” von Seiten des Nationalparks hat das aber gleich wieder zunichte gemacht. Die AG, so sie denn überhaupt noch einen Sinn macht, muss schleunigst vom Prinzip der “Einstimmigkeit” hin zu “Mehrheitsentscheidungen” kommen, sonst blockiert die Verwaltung weiterhin jedes Tun.
  2. Es scheint kaum noch zu bestreiten, dass es in der Verwaltung (und sicher mit klammheimlicher Unterstützung durch den Umweltminister der Grünen) die stille Hoffnung gibt, auf diese Weise einige Wege gänzlich verschwinden zu lassen. Schwafelt man dort doch schon seit Jahren von einer “Übererschließung” des Nationalparks.
  3. Der neue (was heißt neu, der ist auch schon wieder fast ein Jahr im Amt) Leiter der NPV, Ulf Zimmermann, zeigt völliges Unverständnis für die Wander- und Klettertraditionen der Region. Kann er auch nicht, denn er hat keine Wurzeln in der Gegend. Aufgewachsen ist er in Nordrhein-Westfalen, studiert hat er in München. Aus zwei Nationalparks (Naturpark Biosphäre Val Müstair in Graubünden, Nationalpark Unteres Odertal) wurde er weggelobt. Und ich vermute mal, eine dritte Aktion dieser Art ist nicht fern.
  4. Vielleicht der wichtigste Punkt: die Nationalparkverwaltung hat keine Freunde mehr. Wenn ein Landrat, zahlreiche Bürgermeister und auch die Wander- und Bergsportverbände gemeinsam auf die Barrikaden gehen, dann wird es eng. Allein der SBB hat 16 000 Mitglieder, mit denen legt man sich nicht an. Gerade die Kletterer haben in den vergangenen Jahren still gehalten, waren nicht auf Konfrontation aus. Und auch die Kommunen waren eher nicht auf Stunk gebürstet, sondern suchten die friedliche Verständigung. Das scheint vorbei zu sein, denn wenn man direkt an die höchste Instanz des Freistaates schreibt, dann ist, salopp gesagt, die Kacke am dampfen.
  5. Es wird wohl in Zukunft zahlreiche private Freischneideaktionen geben. Und auch Unmutsbekundungen gegen Nationalparkranger und deren Fahrzeuge. (Sie wissen schon, die schweren Pick-Ups.) Mit den Rangern zumindest möchte ich nicht tauschen.
  6. Der Nationalpark als solcher wird zumindest partiell zur Disposition stehen. Denn er ist eben nicht, wie es der Grundgedanke “Nationalpark” vorsieht, eine Wildnis, sondern er ist eine seit Jahrhunderten genutzte Kulturlandschaft. Die sich eben auch nicht in eine Wildnis verwandeln lässt. Da wird es Grundsatzdiskussionen geben. “Nationalpark” ist übrigens kein Titel, der zu- oder aberkannt wird. Man kann ihn sich selbst per parlamentarischer Mehrheit verleihen. Überspitzt gesagt: wenn ich dafür eine Mehrheit im sächsischen Landtag fände, könnte auch mein Schrebergarten diesen Titel tragen.

Es bleibt also spannend. Zumal völlig unklar ist, wie der Ministerpräsident reagiert. Legt er sich mit seinem grünen Koalitionspartner an und spricht ein Machtwort? Oder pfeift er drauf und versaut es sich so mit den Bürgermeistern, die evtl. sogar seine Parteifreunde sind? Wir werden sehen. Und geben die Hoffnung nicht auf.

Säge  Die Säge wird zur Standardausstattung im Rucksack.

PS: Danke an die Dresdner Grafikerin Juliane Heinke für den feixenden Borkenkäfer.

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5 Gedanken zu „Mit allen verschissen Wie die Nationalparkverwaltung so ziemlich jeden verprellt

  1. Nur durch stetige Erosion ( Zerstörung von Sandstein) hat die Natur daselbst dieses wundervolle Gebirge geschaffen, sonst wärs bis heute ne flache, ungegliederte Sandsteinhochfläche…Täglich verwittertern Tonnen an Sandstein da, normale, natürliche Verwitterung. Flora und Fauna sind komplett aus Südwest bis Ost eingewandert nach dem letzten Glazial. Menschen formten die Kulturlandschaft, auch mit wundervollen Bauten wie Burgen und Kirchen…..und plötzlich sollen ( einfache) Menschen da ausgeschlossen werden?????

  2. Dem kann ich nur voll und ganz zu stimmen.Jedesmal unter scheinheiligen Vorwänden Wege verschwinden zu lassen,ist auch nicht gerade im Sinne des Erfinders dieser Kulturlandschaft

  3. Meinerseits Hochachtung und Respekt für Sie Herr Noack, für Ihr Angagement gegen die mittlerweile militante Beschneidung und Zerstörung der Wander- und Klettertraditionen in unserer Sächsischen Schweiz.
    Habe Ihre Seite leider erst jetzt entdeckt, durch Hinweise von Freunden und ich habe jetzt erstmal mit großem Interesse über Stunden fast alle Beiträge detailliert angesehen und gelesen. Was für eine gute Arbeit! Es ist bis jetzt die informativste und auch amüsanteste Seite zur Thematik, die ich bisher kennenlernen durfte. Dafür vielen Dank.
    Sollten Sie mal einen Wanderpartner für eine interessante Tour suchen, ich stehe gern zur Verfügung …

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