Diese kleine Runde ist aus drei Gründen entstanden: zum einen war ich tatsächlich seit langer Zeit nicht mehr auf dem Hohen Schneeberg (Děčínský Sněžník). Und der rühmt sich immerhin, mit rund 723 Metern, die höchste Klamotte im Elbsandstein zu sein. Zum zweiten hat man von dort oben tatsächlich traumhafte Aussichten in alle Richtungen. Zum dritten fährt in der Saison eine ziemlich geniale Buslinie, die zwischen Pirna und Königstein pendelt und dabei einen weiten Bogen über Böhmen nimmt. Und schließlich, jetzt sind wir schon bei viertens, spürte ich das dringende Bedürfnis nach einer gerüttelt Portion Knoblauch im Magen.
Auf geht es also.
Wir starten im Ort Schneeberg (Sněžník), an der Bushaltestelle genau zu Füßen des Berges. Hier gibt es auch einen großen Parkplatz, der aber etwas vertrackt ist. Denn es wird kein Bargeld akzeptiert, und die stinknormale deutsche EC-Karte geht auch nicht. Ich hab mal die Preise und die akzeptierten Zahlungsmethoden fotografiert:
Gleich nebenan das Wirtshaus “Kammbaude”. Oder besser: das ehemalige solche. Denn hier ist geschlossen, und das Haus zeigt schon bedenklichen Gammel. Da hilft auch das Schild mit den besonderen Verdiensten ums gute Bier nichts.
Besonders misslich ist das, weil hier ehedem eine geniale Knoblauchsuppe kredenzt wurde: sie kam in zwei Schüsseln auf den Tisch. In der einen knefelte die Brühe vor sich hin, in der anderen befanden sich Zutaten wie Röstbrot, Käse und Schinken. Man konnte dann nach Belieben bestücken. Und noch Stunden ein später ein mit Erinnerungen gespicktes Bäuerchen tun.
Nostalgischer Griff ins Archiv von 2019.
Nun gut, wir gehen jetzt nicht direkt auf den Berg hoch, sondern zunächst an dieser Kreuzung…
…geradeaus. Nach ein paar Metern auf der Straße kommen wir so in den südlicheren Ortsteil von Schneeberg. Am Wegesrand eine winzige Kapelle und eine ebenso kleine Kirche.
Wir bleiben geradeaus auf der Straße und haben den den Flecken sogleich durchquert. Noch ein Stück weiter macht die Straße eine scharfe Rechtskurve. In deren Scheitelpunkt geht nach links ein Waldweg mit Schranke ab, den wir mal nehmen.
Das ganze Brimborium haben wir jetzt nur getrieben, um am Wegesrand dieses nette Hexenhaus zu besuchen. Ich fand das beim ersten Mal schon allerliebst und finde es auch heute noch.
Hinter dem Hexenhaus biegen wir zwei mal links ab, und kommen so, leicht ansteigend, hinten im Ort Schneeberg raus. Hier gibt es wunderschöne Ferienhäuser und Pensionen. Eine besondere Bewandtnis hat es dabei mit dem früheren “Café Luft”, heute auch eine Pension. Mehr gleich.
Zunächst aber müssen wir mal schamlos sein. Denn einen einst sogar ausgeschilderten Weg über die Wiese, den gibt es nicht mehr. Stattdessen drohen Sperrschilder. Sieht so aus, als ob hier ein Privatbesitzer dicht gemacht hätte. Nicht etwa, weil da jetzt ein blühendes Kornfeld wäre, da ist immer noch Wiese. Aber sicher deshalb, weil er kann. Das kennt man ja auch hierzulande.
Also mal flugs gekuckt, ob einer kuckt. Kuckt keiner, also einfach Schilder ignoriert und über die Wiese gelatscht. Erst ein Stück nach oben, dann im rechten Winkel nach rechts auf den Waldrand zu. Wo wir auch sofort auf diesen Weg treffen.
Wenn wir dem Weg folgen, kommen wir zum Schwedenfriedhof (Švédský hřbitov). Ein Gedenkkreuz mit Steinsockel.
Hat aber gar nichts mit den alten Schweden zu tun. Es ist hier auch niemand begraben. Sondern es ist ein Gedenkort, den der Bürgermeister Franz Luft (der mit dem Café) für seinen im ersten Weltkrieg gefallenen Verwandten gebaut hat. Franz Luft starb später, im Alter von 84 Jahren, bei der Vertreibung der Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg.
Einwurf: hier schüttele ich mal kräftig den Kopf. Denn in einer Broschüre, welche die benachbarte Stadt Eulau (Jílové) vor zehn Jahren herausgegeben hat, heißt es dazu wörtlich: “Franz Luft wurde nach Kriegsende mit seiner Familie evakuiert. Mit 84 Jahren war der Fussmarsch nach Rosenthal für ihn sehr anstrengend, unterwegs verschwand er, seine Familie hat ihn nie wieder gefunden.” Ja, da steht “evakuiert” und “verschwand”. Da steht nicht “vertrieben”, “erschlagen” oder “verhungert”. Gott sei Dank schaut aber die Masse unserer tschechischen Nachbarn heute viel differenzierter und weniger schönredend auf diese Ereignisse. Die Broschüre ist heute auch nicht mehr online zu finden. Da sie aber außer dieser Entgleisung auch noch jede Menge interessante Fakten rund um den Schneeberg enthält, werde ich sie am Ende dieses Textes mal einstellen.
Genug geärgert, wir folgen weiter dem Weg, der jetzt richtig schön pfadig und mit ein paar alten Steinstufen weiter bergan führt. In alten Karten trägt er tatsächlich auch den Namen Bürgermeister-Luft-Steig. Ein paar Impressionen:
Unter mittlerem Schnaufen (höchstens eine Kleinbahn-Dampflok) erreichen wir das Gipfelplateau. Es geht nach rechts. Zuerst sehen wir einen alten Triangulationsstein (diente der Landvermessung) und dann schmeichelt auch schon die erste tolle Aussicht unseren Augen.
Noch zwei Einwürfe: wir wollten diesmal möglichst alle Aussichten mitnehmen, weshalb die Strecke (und auch der Track am Schluss) ziemlich Zickzack gingen. Und: hier oben hat man nur zwei Varianten: Traumaussichten oder die berüchtigte böhmische Suppe. Dann sieht man die Hand vor Augen nicht. Wir hatten die Variante: Traumaussichten.
Also weiter, jetzt schon den Aussichtsturm vor Augen. Hier gibt es einen kleinen Imbiss, und dort auch den Schlüssel zum Turm. Eintritt sind 60 Kronen. Oben sieht man aber auch nicht mehr als von den ebenerdigen Aussichtspunkten, das aber dann rundum. Wenn sie also die Panoramafunktion ihres Handy fordern wollen, sollten sie aufsteigen.
Gleich ein paar Meter weiter die Bergbaude mit richtigem Restaurant. Von deren Terrasse schon wieder eine tolle Sicht. Die Baude ist ein Neubau aus den 1990er Jahren, aber ganz im Stil des früheren Gasthauses gehalten.
Weiter geht es, die Felskante immer zu unserer Rechten. Ein prächtiger Weg und ebenso prächtige Aussichten.
Irgendwann biegt dann nach links dieser unmarkierte Waldweg ab. Wir biegen auch ab und ein.
Der Weg bringt uns auf die Straße, welche die meisten Besucher hier wählen. Der folgen wir nach links und kommen wieder zum Aussichtsturm.
Wir gehen denselben Weg zurück, den wir schon hinzu gelaufen sind. Steigen dann aber nicht wieder ab, sondern gehen auf gleicher Höhe geradeaus. Jetzt geht es nochmal an, muss ich das sagen (?), herrlichen Aussichten vorbei.
Das Beste kommt aber zuletzt. Denn dieser Weg endet auch wieder an der Straße, und direkt gegenüber die Dresdner Aussicht (Drážďanská vyhlídka). Bei guten Wetter sieht von hier bloßem Auge den Dresdner Fernsehturm. So wie heute.
Für den weiteren Abstieg nehmen wir jetzt auch die Straße und landen wieder an der üblerweise geschlossenen Kammbaude. Womit wir rum wären, Parkplatz und Bushaltestelle sind gleich da. Da ich aber unbedingt noch etwas mit Knoblauch in den Magen brauchte, sind wir ein Stück weiter die Dorfstraße runter gelaufen. Dort wartet das Wirtshaus Grenzbaude (Hraniční Bouda) auf seine Besucher.
Nichts wie rein. Die obligatorische Knoblauchsuppe war mir dann etwas zu unterknobelt. Aber zum Glück hatte ich noch ein Steak mit Knoblauch hintendran bestellt. Und da waren dann gigantische Mengen der gesunden Knolle drauf. Das schon anfangs zitierte Bäuerchen folgte dann eine halbe Stunde später. Es geriet zu einem veritablen Großbauern. Einige zehntausend Borkenkäfer verließen panisch flatternd den Wald. Und hinter mir plumpste ein Uhu benommen ins Gras.
Wir gehen noch ein Stück an der Straße lang. Und dann Obacht: etwas versteckt an einem Gittermast führt der Weg wieder in den Wald.
Weiter der blauen Markierung nach kommen wir so zur Grenze am Eulentor. Keine Ahnung, warum das so heißt, ein Tor gibt es da nicht. Dafür einen alten Grenzstein. Und genau an der Landesgrenze wird die tschechische Straßenpiste zum deutschen Sturzacker. Schämt euch.
Genau hier stand einstmals auch noch eine Kneipe, das “Waldhaus”. Leider auch nach 1945 platt gemacht und geschleift.
Noch ein Stück geradeaus, und mitten im Wald finden wir eine Bushaltestelle. Kein Witz. Wer hier starten will: sie heißt “Rosenthal, Fußweg zum Schneeberg”.
Wir waren aber etwas zu früh und sind deshalb noch ein Ende durch den malerischen Ort Rosenthal gelaufen. Am Dorfplatz mit Jubiläums-Gedenkstein und Kunstwerk kam dann auch der Bus.
Fazit: Fast 19 Kilometer. Aber man kann ja mächtig abkürzen, wenn man den Fuß des Schneeberges samt Parkplatz und Bushaltestelle als Start und Ziel wählt. Die Aussichten sind allesamt vom Feinsten.
HIER die Broschüre über den Schneeberg zum runterladen.
Und zum Nachwandern: