Heidideldei, das war mal eine Tour nach meinem Geschmack. Wir wanderten von Sachsen auf einem geheimnisvollen Weg nach Böhmen, besuchten dort eine fast vergessene und ebenso geheimnisvolle Aussicht, tapperten weiter über allerlei sehr ruhige Pfade, bestiegen einen Aussichtsturm, setzen unseren Weg auf fast noch ruhigeren Pfaden fort und landeten in einem satt grünen Tal. Es sei aber auch vermerkt: diese Runde ist nichts für Turnschuhe, hier geht es knackig hoch und runter. Und da viele der geheimnisvollen Wege nicht mehr aktiv unterhalten werden, muss man auch mit mehr oder weniger großen Hindernissen auf denselben rechnen. Alles kein Thema? Dann folgen Sie mir!
Man kann diese Runde an verschiedenen Punkten starten. Wir wollten das eigentlich in Schmilka tun, haben dort aber keinen Parkplatz mehr gefunden. Pech. Also ein paar Meter weiter und über die Grenze gefahren, und in Herrnskretschen (Hřensko) am Elbkai geparkt. Das hat obendrein den Vorteil, dass es nichts kostet. Und es hat den Nachteil, dass wir jetzt zunächst entlang der Straße nach Schmilka zurücklaufen müssen. Ist aber halb so wild, Pi mal Daumen ein Kilometer.
In Schmilka angekommen biegen wir gleich rechts ab und kommen durch den Komplex der alten Mühle. Hier hat ein umtriebiger Unternehmer alle Häuser der Anlage mehr als liebevoll saniert und Pensionen, Hotels, einen Wellness-Bereich, eine Brauerei und einen Biobäcker installiert. Sogar die Mühle selbst mahlt wieder mit alter Technik. Sieht alles toll aus, hat aber auch seinen Preis. Und vier Euro für ein Stück Kuchen, so “Bio” es auch sei, gehen mir irgendwie gegen den Strich. Zumal die Tour ja gerade erst angefangen hatte und noch kein Hüngerchen zu verbuchen war. Aber trotzdem: schön ist es hier.
Wir durchqueren den Rest des Ortes, was nicht lange dauert. Gleich nach den letzten Häusern geht es nach rechts ab. Ausgeschildert sind hier zahlreichen Ziele, wir folgen dem “Gelben Strich”. Und der führt uns auf den Grenzweg. Richtig gehört, der legendäre und eigentlich mächtig verbotene Grenzweg ist hier für ein kurzes Stück ein offizieller Wanderweg. Es geht aufwärts, vorbei an einem recht merkwürdigen Geländer und einer kleinen Aussicht.
Jetzt wird es pusselig: da, wo das Geländer aufhört, gehen wir noch runde 200 Meter weiter bergan. Dann müssen wir nach rechts weg, schauen Sie einfach auf die Karte am Ende dieses Textes. Ursprünglich gab es hier mal einen gut erkennbaren Pfad. Nur ist der dummerweise verschwunden. Sei es Sabotage der Nationalparkverwaltung oder einfach jahrelanges Nichtbegehen. Also: wir orientieren uns an dem gut sichtbaren Bachlauf unten rechts, und suchen uns einen Abstieg dorthin. Ist nicht schwer, der Hang ist nur mäßig steil. Über den Bach, er führt nur selten Wasser, hüppern wir dann drüber und sind schon im Böhmischen angekommen. Gefühlte Richtung jetzt zurück in Richtung Elbe, und wir finden schnell wieder einen gut erkennbaren Pfad. Als Orientierung möge dieses alte Grenzschild dienen….
…taucht es zur Rechten auf, dann sind wir richtig.
Wir folgen dem Pfad weiter in Richtung Elbe, und erreichen eine sehr markante dreistämmige Buche, deren Rinde schon allerlei Schnitzwerk über sich ergehen lassen musste. Eine kleine Aussicht gibt es hier auch.
An der Buche biegt der Pfad dann links ab und wandelt sich zu einem breiten Waldweg. Und ab jetzt sind wir auf eben jenem geheimnisvollen Weg, auf der Johannespromenade. Wann und warum die angelegt wurde, ist nicht mehr genau nachzuvollziehen. Zahlreiche Trockenmauern deuten aber darauf hin, dass hier einst ein wirklich professioneller Ausbau erfolgte. Sehr wahrscheinlich diente der Weg vor allem den “Sommerfrischlern”. Aber auch als wirtschaftliche Verbindung zwischen Schmilka und Herrnskretschen kann er wichtig gewesen sein – die Straße im Elbtal gibt es erst seit 1938. Bei alledem könnte auch das frühere Hotel “Herrenhaus” eine Rolle gespielt haben, worauf wir gleich noch zurückkommen.
Übrigens liegt auf dem Weg immer mal wieder ein Stamm in der Quere, was aber kein größeres Problem darstellt.
Wir kommen an dieser Stelle vorbei:
Zwei Bäume liegen quer und der Weg gabelt sich. Wir merken uns den Punkt und gehen zunächst rechts. An einer recht markanten Felsgruppe, direkt am Hang gelegen, scheint es nicht mehr weiter zu gehen. Aber, oha, wenn wir die Felsen genauer inspizieren, so finden wir sorgsam gemauerte Serpentinen vor, die nach unten führen.
Und hier kommt wieder das Hotel Herrenhaus ins Spiel. Sichten wir doch mal alte Postkarten:
Neben dem Hotel befand sich ein markanter Felsen (Pfeil). Und hinter dem Hotel eine Terrasse am Hang, ungefähr auf Höhe des dritten Stockwerks. Von dieser Terrasse führten die Serpentinen zu einer Aussicht auf eben jenem markanten Fels, und von dort weiter zur Johannespromenade. Das Hotel samt seiner Terrasse musste dem Bau der Talstraße weichen, der Fels steht aber heute noch. Einen Weg von unten zu den Serpentinen gibt es allerdings nicht mehr. Aber von oben, und genau da stehen wir jetzt.
Also los, runter. Aber schön sachte, Unmengen von Laub und umgestürzte Bäume erfordern etwas Umsicht. An zwei Stellen sollte man nicht den Serpentinen folgen, da hier ehemalige Holzstege fehlen. Statt dessen die Serpentinen einfach “schneiden” und am Mauerwerk herabklettern. Was nicht wirklich schwer ist.
Schließlich durchqueren wir diesen kleinen Tunnel…
…und finden uns an der geheimnisvollen Aussicht auf dem Herrenhausfelsen wieder. Wir blicken auf Herrnskretschen und die Elbe.
Zwei Dinge haben sich seit meinem letzten Besuch hier oben zum Positiven verändert: zum einen ist eine große Satellitenschüssel, die jahrzehntelang den historischen Ort verunzierte, verschwunden. Und zum anderen hat jemand das kunstschmiedeeiserne Geländer, welches arg marode war, wieder festgeschraubt. Mit Schwung sollte man sich dennoch nicht anlehnen.
Wir genießen noch ein wenig den Ausblick und steigen dann die Serpentinen wieder hoch. Es geht zurück zu der Wegegabelung von vorhin und dort jetzt links weiter. Wir sind wieder auf der Johannespromenade, die ebenfalls einen scharfen Linksknick macht und weiter oberhalb von Herrnskretschen verläuft.
Das zieht sich eine ganze Weile, ehe ein schmaler Weg im rechten Winkel kreuzt. Das ist der Heusteig. Nach links, bergauf, würde er uns an die Silberwände führen, nach rechts, runter zu, geht es zurück ins Dorf. Wir steigen also ab. In vielen Zick-Zack-Kehren geht es ins Tal. Aber Obacht: an einer Stelle hat extremer Windbruch gleich mehrere große Stämme gefällt. Der Weg ist hier unpassierbar. Volkes Wille hat aber schon eine Umgehung gelatscht. Es geht rechts vom Windbruch ab, und dann recht steil nach unten. Vorsichtig angehen! Schließlich landen wir an diesem mächtigen Fangzaun (der soll eigentlich vor Steinschlägen schützen, aber wenn wir ins Rutschen geraten, ist er auch nützlich). Ab hier sehen wir den Weg auch wieder deutlich.
Noch ein paar Treppen herunter, und wir stehen rechts vom Hotel “Praha”. Beim Anblick der letzten Treppe würde wohl niemand vermuten, dass hier ein wahrlich geheimnisvoller Pfad beginnt.
Mitten durch den Ort plätschert hier Kamnitz (Kamenice) Richtung Elbe. Das Flüsschen überqueren wir auf einer Fußgängerbrücke. Und spähen dann auf der linken Seite nach einem Durchschlupf zwischen den vietnamesischen Marktbuden. Da steht, etwas versteckt, das frühere Gaswerk. Ein pittoreskes Gebäude, und mittlerweile wirklich zu Tode fotografiert. Der Vollständigkeit halber hab ich aber auch noch mal geknipst.
Heute beherbergt das Haus eine noble Pension sowie ein Restaurant. Wir gehen rechts auf der Terrasse ein paar Treppen hoch und dann nach links auf einem gepflasterten Weg weiter aufwärts. Und erreichen einen alten Gottesacker. Von dem sieht mal leider nur noch die Grundrisse der Gräber und die Kapelle der wohlhabenden Holzhändlerfamilie Clar. Immerhin.
Direkt gegenüber des Friedhofs, auf der anderen Seite einer Fahrstraße, beginnt jetzt wieder ein Aufstieg. Markiert ist der mit einem grünen Strich. Es geht mal wieder im Zick-Zack entlang eines wirklich mächtigen Eisengeländers nach oben.
Oben angekommen stehen wir an der Aussicht am Bielhorn. Die ist leider ein wenig zugewachsen, bietet aber trotzdem einen netten Blick auf Herrnskretschen.
Folgen wir weiter dem grünen Strich, der Weg steigt immer noch an. Es geht vorbei an einigen alten Bunkern der Schöberlinie (die stehen hier wie Pilze im Wald), und schließlich gemächlich rein nach Jonsdorf (Janov). Im Ort gibt es mehrere Wirtshäuser, also Zeit für eine Rast.
Wohl gestärkt können wir dann der Ausschilderung zum Aussichtsturm (Rozhledna) folgen. Der steht auf dem Clarsberg (Janovsky vrch). Und er ist, aufgemerkt, eigentlich ein Funkmast, dem man eine Wendeltreppe und eine Plattform spendiert hat. Rund 160 Stufen führen nach oben, wo sich eine herrliche Rundumsicht bietet. Eintritt muss man nicht bezahlen.
Aber Achtung: wem es gern mal blümerant wird, der sollte hier Vorsicht walten lassen. Denn erstens kann man durch die Gitterroste von ganz oben nach ganz unten durchsehen. Und zweitens schwankt das ganze Konstrukt ein wenig.
Wir steigen ab und gehen zurück in den Ortskern. Hier folgen wir der Markierung “Gelber Strich”. Aber nur kurz. Denn vor diesem Teich…
…biegt der gelbe Strich nach rechts ab, während wir weiter geradeaus laufen. Eine ehemalige Windmühle, heute Ferienhaus, wird passiert.
Der breite Waldweg fällt dann auf einer Länge von rund 50 Metern kräftig ab, unten angekommen geht es, immer noch breiter Weg, nach rechts weiter. Bis wir an diese Stelle kommen:
Wir gehen nach links, also weg von dem Sperrschild, und entdecken sogleich den Beginn eines schmalen Pfades am rechten Wegesrand. Dieser führt uns jetzt ziemlich steil ins Tal hinunter.
Im Tal plätschert dann der Jonsdorfer Bach und ein merkwürdiges Rohr rostet vor sich hin. Neben dem Rohr können wir bequem über den Bach springen.
Der Pfad steigt dann wieder an. Ab jetzt sollten wir auf eine gelbe Markierung an den Bäumen achten. Da hat wohl jemand in Eigeninitiative den Wegeverlauf markiert, was uns hier sehr zupass kommt.
Es geht noch ein wenig kreuz und quer – immer gut markiert – und schließlich nochmal ordentlich bergab. Wir sind jetzt im Dürrkamnitztal (Suchá Kamenice) angekommen. Herrlich grün ist es hier. Und immer noch sehr still. Wir gehen talabwärts.
Am Wegesrand entdecken wir noch zwei Tafeln, die an Holztransporte erinnern, und eine steinerne Bank.
Und kurz vor dem Ende des Tals führt rechts noch ein unscheinbarer Pfad an eine Felswand, die mit künstlichen Griffen versehen wurde. Wer also seine Kletterfertigkeiten testen will…
Schließlich ist das Tal zu Ende und wir stehen an einer Straße und am Ortsausgang von Herrnskretschen. Auf die Schnelle können wir noch nach links schauen, dort sprudelt eine Quelle mit extrem eisenhalten Wasser. Welches auch so riecht und schmeckt.
Wir gehen durch den Ort auf dem Bürgersteig zu unserem Ausgangspunkt zurück.
Fazit: gute 19 Kilometer, mit viel hoch und runter, also anspruchsvoll. Dafür wunderbar ruhig, fast ohne Mitwanderer. Die Aussichten am Herrenhausfelsen und vom Funkturm in Jonsdorf sind meine persönlichen Höhepunkte. Aber auch der ganze Rest macht richtig Spaß.
Zum Nachwandern:
Wirklich sehr knackig und geheimnissvoll, die Johannespromenade,besonders der Abstieg, wenn die Werksirene zum drohenden Spätdienst ruft, nach vorausgegangener “Ehrenrunde”. Gibt`s da einen gescheiten Globus, der mehr zeigt, als auf Grönland. Open street Map hält sich vornehm zurück und Axel preist sehr geheimnissvoll in Band 2 einen früheren Aufstieg an. Ich bin da kürzlich wegen beschriebener Missstände voll wütender Verachtung der Hangerosion letztlich über Dächer, Simse, Geländer an den erstaunten Originalehändlern und deren/ unseren feilschenden Ruheständlern vorbei wie ein Gurkendieb, unten angelangt. Nie empfand ich den Grenzort einladender, als je zuvor. Aber die Promenade ist mit ausreichend Zeit, wirklich sehr empfehlenswert.
Es gab mal einen Abstieg direkt nach Herrnskretschen über eine Eisenklammerstiege. Die sieht man heute noch, allerdings sind die unteren vier oder fünf Eisen abgesägt. Und oben angekommen, erschwert ein neuer, massiver Fangzaun das Weiterkommen beträchtlich.
Foto
Die Felswand mit den künstlichen Griffen im Dürrkamnitztal war die Übungswand von Jindřich Hudeček, Anfang der 1980er Jahre einer der besten Felskletterer im Elbsandstein und später Gründer von Hudy-Sport in Herrnskretschen. Er hat damals die Wand zu Übungszwecken mit Rucksack hoch und runter geklettert, natürlich mit Sicherung. Einige Meter talaufwärts sind am Bach paar Reste der ehemaligen Dürrkamnitzmühle zu erkennen. Drüben auf der anderen Seite sind oben an einer Felswand noch andere Mauerreste, vermutlich einer Hütte der ehemaligen Steinbrucharbeiter. Siehe auch hier:
https://www.youtube.com/watch?v=JHTF4gf5aEY