Die Gegend zwischen dem Brandmassiv und Rathen ist durchzogen von vielen kleinen, stillen und geheimnisvollen Pfaden. Von denen wollen wir hier den einen oder anderen erkunden. Außerdem gibt es als sattsam bekannte Höhepunkte den Hockstein mit der Wolfssschlucht und die Brandaussicht. An letzterer hat sich sehr Erfreuliches getan. Auf den stillen Pfaden erwartet und dann wirklich urige Landschaft, ein spektakulärer Felskessel, sattes Grün und viel Ruhe.
Allerdings: bei unserer Tour erwartete uns sogar an den touristischen Höhepunkten viel Ruhe. Auf dem Hockstein ganz allein? Die Brandstraße fast leer? Das habe ich noch nie erlebt. Vielleicht lag es ja an den Temperaturen um die 30 Grad. Mit reichlich Flüssigem im Rucksack – Bier wäre hier aber kontraproduktiv – war es dennoch gut zu meistern.
Eingedenkt des 9-Euro-Tickets ist dies eine Streckenwanderung mit dem ÖPNV.
Dennoch zwei Anmerkungen zu Beginn.
Erstens: an drei Stellen bewegen wir uns hier durch die Kernzone des Nationalparks auf Pfaden, die nach offizieller Lesart als gesperrt gelten. Es lauert ein Bußgeld. Für alle, die das nicht riskieren wollen oder ganz allgemein nur nach dem Studium diverser Verordnungen in den Wald gehen, hab ich Alternativen beschrieben.
Zweitens: alle Pfade, ob erlaubt oder nicht, sind nicht turnschuhtauglich. Überhaupt nicht. Man muss auch bereit sein, den einen oder anderen Totholzverbruch zu überklettern oder zu unterkriechen. Weshalb ich auch lange Hosen empfehle. Die ersparen nicht nur hässliche Abschürfungen an den Waden, sondern schützen auch vor dem hinterlistigen Zeckerich.
Nun aber genug geunkt und los.
Start ist die Haltestelle „Hocksteinschänke“ der Buslinie 237 ab Pirna. Wir gehen einmal quer über die Kreuzung auf einen kleinen Waldparkplatz in einer Linkskurve zu. Neben dem Parkscheinautomaten beginnt hier, gut ausgeschildert, der Wanderweg zum Hockstein. Den wir innerhalb von zehn Minuten auch schon absolviert haben. Zunächst geht es über die Teufelsbrücke. (Welche vor einigen Jahren aufgrund von DIN- und Sicherheitsbestimmungen einen hässlichen Metallaufsatz am Geländer bekam. Vorher ist da auch niemand runtergefallen, aber: Na ja.)
Ein paar Treppenstufen später stehen wir auf dem Plateau des Hocksteins. Von der früheren Burgwarte künden hier nur noch ein paar Fundamente. Dafür lockt eine wunderbare Aussicht rüber zum Ort Hohnstein und nach unten zur Polenztalschänke. Ganz vorn an der Aussicht ist ein Mühlespiel in den Fels geritzt. Heimatforscher sind sich einig: das ist echt, hier haben sich tatsächlich die alten Rittersleut auf Wacht die Zeit vertrieben.
Für den Abstieg geht es durch die Wolfsschlucht. Ein erster Höhepunkt, wenn auch kein Geheimtipp. Spektakulär steigen wir auf Eisentreppen durch eine enge und hohe Schlucht steil bergab. Macht richtig Spaß. Diese Wolfsschlucht soll Carl Maria von Weber zu seinem „Freischütz“ inspiriert haben. Allerdings nimmt noch mindestens eine weitere Wolfsschlucht im Elbsandstein dieses Privileg für sich in Anspruch.
Nachdem wir die Treppen hinter uns gelassen haben, gehen wir nach rechts. Dort wartet die Hocksteinhöhle, ein mittelgroßer Überhang. Man kann rasten oder Papiertaschentücher zählen.
Achtung, ab jetzt nicht offiziell: Wir gehen weiter nach rechts auf einem Pfad. Der biegt nach knapp 50 Metern scharf links und talwärts ab. Wir sind im Blümelgrund. Der Pfad bleibt die ganze Zeit gut erkennbar und windet sich durch sattes Grün und einige wirklich schöne Felsen nach unten. Ganz am Ende kommt eine minimale Steilstufe, dann stehen wir – wieder ganz auf offiziellem Weg – im Polenztal und sehen schon eine Brücke vor uns.
Für Nationalpark – Konformisten: am Ende der Wolfsschlucht – Treppen nach links gehen und dem markierten Weg über weitere Treppen ins Polenztal folgen. Dort gleich rechts gehen, am Wirtshaus vorbei. Wir treffen uns an besagter Brücke.
Wir gehen jetzt also gemeinsam über diese Brücke und befinden uns im Schindergraben. Der verdankt seinem Namen dem früheren Abdecker (Schinder) von Hohnstein, der hier verendetes Vieh entsorgte. Mit dieser schönen Tradition hat man aber schon vor Jahrhunderten gebrochen, so dass wir den Aufstieg genießen können. Mal bequem, mal über ein paar kleiner Steinmurmeln, geht es aufwärts. Ein Bächlein plätschert gar lieblich am Wegesrand dahin, wir überqueren dieses auf mehreren Stegen.
Beachtenswert sind zur Linken dicke Mauerreste mit einem Durchfluss für den Bach. Dahinter befand sich einst der Bärengarten, in dem tatsächlich Petze für Tierhatzen am kurfürstlichen Hof zu Dresden gehalten wurden. Und das fast 100 Jahre lang. Weil die Tiere aber immer wieder entwichen und dann in Hohnstein marodierten, hat man das Ganze 1756 wieder gelassen.
Ebenfalls zur Linken, etwas erhöht am Fels, grüßt ein Relief von Wilhelm Leberecht Götzinger. Der Pfarrer hatte um 1812 einen der ersten Wanderführer der Sächsischen Schweiz verfasst. Als Reprint kann man den immer noch kaufen.
Und noch ein Stück weiter, jetzt rechts am Weg, sehen wir ein eingeritztes Portrait von Владимир Ильич Ульянов, besser bekannt als Lenin. Wer das dort angebracht hat, ist unbekannt. Und weil es etwas schwer zu erkennen ist: der alte Revoluzzer ist im Profil zu sehen, Kinn und Spitzbart zeigen nach links unten.
Jetzt sind wir oben angekommen und gehen nach rechts. Ab jetzt mit grüner Markierung auf dem Halbenweg. Eine ganze Zeit lang zieht der sich, breit, bequem und mit minimaler Steigung, durch den Wald dahin. Vom Borki gelichtete Bäume bieten nette Blicke zur Hohnsteiner Burg. Am Kletterfels Großer Halben gibt es, hinter einem Kernzonenschild, eine Aussicht mit Geländer. Viel mehr als Baumkronen im Polenztal sehen wir hier aber nicht.
Noch ein Stück weiter ist nach links ein Abstecher zur Gautschgrotte ausgeschildert. Ein mächtiger Felsüberhang, in dem es auch immer ein wenig von oben tröpfelt. Wer das noch nicht kennt, sollte es unbedingt mitnehmen. Wir haben es uns diesmal geschenkt.
Also weiter, noch ein gutes Stück dem gemütlichen Halbenweg gefolgt. In einer Rechtskurve erspähen wir dann, zur Linken, eine weitere Höhle, die Diebshöhle. Hier ist gut rasten. Unter zahlreichen Felsinschriften fällt hier schon wieder eine kyrillische auf: Дагестан – Dagestan. Verfasser auch hier unbekannt.
Zurück von der Höhle sehen wir schon dieses abgesenkte Geländer. Geschwind hüppern wir drüber. Hier beginnt der Begangsteig, ein Traum von einem Pfad.
Hinweis eins: der Pfad ist als Kletterzugang markiert, solche Zugänge dürfen aber von jedermann, nicht nur von Kletterern, benutzt werden.
Hinweis zwei: wenn auch offiziell erlaubt, so doch gar nicht geeignet für den Gelegenheitswanderer mit Slippern an den Füßen. Wer also die Mühe scheut: einfach weiter der grünen Markierung folgen, wir treffen uns an der Kreuzung mit dem Neuweg. Ihr werdet aber ein Zeitchen auf uns warten müssen.
Der Begangsteig windet sich jetzt – fast immer schmal, manchmal auch ganz minimal ausgesetzt – an den Felsen lang. Leider haben hier schlechte Menschen die Kletterzugangsmarkierung (ein schwarzer Pfeil auf weißem Kreis) immer mal wieder sabotiert. Da es viele querende Pfade gibt, die aber fast immer als Sackgasse am Fuß eines Kletterfelsens enden, sollte man darauf achten, die Felsen nie zu durchqueren, sondern immer zu seiner Linken zu lassen. An zwei Stellen, die aber nicht zu verfehlen sind, geht es dennoch mitten durch schöne Felsspalten.
Da der Pfad offiziell erlaubt ist, findet er sich auch auf diversen Online-Karten, die hier mal echt hilfreich sind. Aber besser lokal abspeichern, mit Internetempfang sieht es mau aus.
Ganz zum Ende, kurz bevor der Begangsteig auf den Neuweg stößt, haben wir uns doch tatsächlich auch verfranzt. Und fanden uns plötzlich mitten in einem Wust aus Bruchholz wieder. Mist. Ein paar Meter querwaldein direkt zum Neuweg war hier einfacher als zurück zu gehen. Das macht man natürlich nicht, wir haben gesündigt und geloben, das nicht wieder zu tun.
Wie auch immer, wir landen an einer Kreuzung, hier gibt es wieder jede Menge Wegweiser. Wir folgen jetzt, wieder sehr bequem, der Ausschilderung zum Brand. Das letzte Stück legen wir auf der richtig ausgebauten, für den Individualverkehr aber gesperrten, Brandstraße zurück. Hier ist eigentlich immer viel los. Heute dagegen: gähnende Leere. Merkwürdig, aber schön.
Bequemer Weg und leere Brandstraße
Den rechten Wegesrand behalten wir aber im Auge und merken uns diesen unscheinbaren Abzweig.
Hierher kommen wir später zurück. Aber zunächst gehen wir bis Anschlag nach vorn, dort erwarten uns die Brandbaude zwecks eventueller Proviantaufnahme (Empfehlenswert, viele regionale Erzeugnisse, aber nicht ganz billig. Und: nur das Bare ist hier das Wahre.) und auf jeden Fall eine legendäre Aussicht. Da die schon hunderte Male und obendrein von besseren Fotografen als von mir abgelichtet wurde, hab ich mich mal aufs Knipsen beschränkt.
Aussicht und Baude
Links von der Baude befindet sich eine weitere schöne Aussicht. Und eine kleine, künstlich geschaffene Höhle, die Thümmelgrotte. Und in derselben ein Sinnspruch am Fels, der über Jahrzehnte kaum noch lesbar war. Jetzt strahlt er wieder im alten Glanz. Die Restaurierung hat Bergsteigerlegende Bernd Arnold initiiert. Dafür ein dickes Dankeschön.
Wir gehen jetzt zurück auf der Brandstraße bis zu dem Abzweig, den wir vorhin schon abgespeichert hatten. Achtung: ab jetzt nicht mehr offiziell.
Nationalpark-Konformisten nehmen schon 200 Meter vorher den ausgeschilderten Abstieg durch den Schulzengrund. Wir treffen uns im Polenztal wieder.
Für alle anderen folgt jetzt erst einmal ein ziemlich steiler Abstieg in einen wirklich tollen Felskessel. Der Abstieg ist nicht nur steil, er ist auch dick mit Nadeln bedeckt, unter denen obendrein noch Kienäppel lauern. Man sollte also die Füße mit Bedacht setzen und, ich sage es noch einmal, nur mit gescheitem Schuhwerk unten dran.
Sieht auf dem Foto gar nicht steil aus
Unten angekommen bewundern wir den Felskessel nach allen Seiten und setzen unseren Weg auf einem Pfad ohne Höhenunterschied fort. Wir sind in den Schlaglöchern. Viel Grün, ein paar feuchte Stellen und prächtige Felsgebilde auf beiden Seiten.
Die Schlaglöcher enden dann wieder im Schulzengrund (wobei die braven Wanderer längst vorbei sind). Wir folgen dem Weg jetzt wieder offiziell nach rechts ins Tal.
Unten angekommen stehen wir im malerischen Polenztal. Und über eine Brücke erreichen wir die Waltersdorfer Mühle. Hier gibt es einen Imbiss (Würste, Kuchen, Getränke) im rustikalen Biergarten. Die Preislage ist ausgesprochen zivil.
Wohl gestärkt folgen wir dem Tal noch ein Stückchen flussaufwärts. Nach links geht sodann ein ausgeschilderter Abzweig in Richtung Füllhölzelweg ab. Den nehmen wir, und erklimmen recht knackig über jede Menge Treppenstufen die Höhe. Oben angekommen stehen wir an der Ziegenrückenstraße (eine richtige Autostraße) die wir überqueren und uns an einem kleinen Parkplatz direkt gegenüber wieder in den Wald schlagen.
Über diese Treppen sollst du gehen
Jetzt sind wir tatsächlich auf dem Füllhölzelweg, der sich bequem und unter leichtem Gefälle sowie in zahlreichen Kurven durch den Wald schlängelt. Wir folgen ihm.
Bis wir an einen Abzweig zur Rechten kommen. Man kann ihn gut an einem Kernzonenschild sowie an zahlreichen Papiertaschentüchern dünnschissiger Mitwanderer erkennen. An den Tretminen vorbei lavierend biegen wir ab. Achtung: ab hier nicht mehr offiziell.
Für Nationalpark-Konformisten: einfach dem Füllhölzelweg weiter folgen. Der führt direkt nach Rathen. Ihr werden eine gute Stunde vor uns dort sein und könnt schon mal Plätze im Biergarten freihalten.
Nichtkonform abgebogen befinden wir uns jetzt im Buttermilchloch. Wieder so ein Traum von einer Schlucht. Obacht geben: manchmal scheint es, als würde der Pfad am Hang nach oben führen. Das wäre falsch, wir bleiben immer im Talschluss. Hier liegt dann aber auch einiges an Bruchholz in der Kreuz und in der Quer. Drüber weg, an der Seite vorbei oder untendrunter durch: es geht immer voran. Aber es wird anstrengend.
An einer kleinen Pfadkreuzung ginge es wahlweise geradeaus oder links. Wir gehen links, es geht weiter aufwärts. Und landen, jetzt wieder auf den Pfaden der Tugend, auf dem Knotenweg. Direkt vor uns sehen wir die Felsen der Dachsenhälter. Die lassen wir heute aber mal liegen und folgen dem Knotenweg nach links. Sanft absteigend. Fast ohne, dass man es merkt, geht der Knotenweg sodann in den Pionierweg über.
Nach einigen Kurven und Kehren landen wir so am oberen Ende des Amselsees in Rathen. Ab hier ist der Weg dann wirklich stöckelschuhtauglich ausgebaut, zahlreiche Ausflügler werden uns begleiten. Wir gehen am See entlang – wer möchte, kann auch eine Gondelpartie machen. Das Kassenhäuschen der Felsenbühne Rathen grüßt rechts, ein Stützpunkt der Bergwacht links.
Links sehen wir dann auch die Forellenräucherei, die ich gern zur Einkehr empfehle. Das ganze Ambiente ist mit viel Liebe gestaltet, und der Fisch wirklich frisch.
Schließlich gehen wir durch den Ort weiter und setzen mit der Gierseilfähre (die muss immer extra bezahlt werden) auf die andere Elbseite über. Mit der S-Bahn geht es zurück.
Fazit:
20 Kilometer. Gut 7,5 Stunden. Da in den Schlüchten aber oft der GPS-Kontakt abreißt und der Track dann heftig hin und her springt, dürften es effektiv weniger Kilometer sein. Dennoch konditionell nicht ganz anspruchslos. Ungeheuer viel Abwechslung und eine geballte Ladung Natur. Nationalparkkonform oder eben auch weniger konform zu machen. In ersterem Fall verpasst man so einiges, braucht aber auch deutlich weniger Puste und Zeit.
Und noch eine Bemerkung: eine Klappsäge für das Bruchholz kann nicht schaden. Wir haben die aber nur zweimal gebraucht. Da hatten andere vor uns nämlich auch schon fleißig gesägt.
Zum Nachwandern:
Noch eine Bemerkung zu dem Track: an einigen Stellen scheint es, als ob er ohne jeden Weg quer durch die Prärie verläuft. Das liegt daran, dass sich die Nationalparkverwaltung eine Mitarbeiterin leistet, die “unerwünschte” Wege aus den Karten von “Open Street Map” entfernt. Die Wege sind aber natürlich noch da. Ich empfehle deshalb zur Orientierung die gedruckten Detailkarten von Rolf Böhm (in diesem Fall die Ausgaben “Brand – Hohnstein” sowie “Die Bastei”). Auf denen ist alles drauf.