Nationalpark sucht Spitzel, Anschwärzer und Anscheißer – in einer Person

Eine Stellenanzeige der Nationalparkverwaltung macht derzeit im Netz die Runde. Sie sorgt für Kopfschütteln und Empörung. Zunächst mal das Original, man kann es (derzeit noch) jetzt nicht mehr –  hier nachlesen. Bitte die Aufgaben, die der neue Mitarbeiter haben soll, ganz ruhig auf der Zunge zergehen lasse.

Erste Reaktion: das schlägt doch dem Fass die Krone ins Gesicht! Zweite Reaktion: eigentlich muss uns das nicht wundern, passt doch alles hervorragend ins sonstige Agieren der Behörde.

Ich versuche mal, meine Gedanken zusammenzufassen:

  1. Der Nationalpark entdeckt das Netz und die sozialen Medien. Das klingt zunächst mal ebenso so simpel wie dringend notwendig. Denn kennt man die derzeitige Webseite der NPV, dann kommt man sich schon ein wenig in die Zeiten einer Bekanntmachung, angeschlagen an der Kirchentür, versetzt vor. Aktualität gibt es praktisch nicht. Die letzte aktuelle Meldung war am heutigen Tag fünf Wochen alt. Newsletter oder Interaktionsmöglichkeiten gibt es auch nicht. Tote Links sind nicht selten. Und in den sozialen Netzwerken existiert die NPV gar nicht. Also Handlungsbedarf satt.
  2. Aber genau das soll nicht die Aufgabe des neuen Mitarbeiters sein. Vielmehr soll er das Netz nach Veröffentlichungen durchsuchen, die den selbsternannten Naturschützern nicht passen. Also etwa die Beschreibungen historischer Wege oder Boofen. Selbige soll er am besten auch in Online-Kartendiensten ausfindig machen.
  3. Und dann soll er handeln: auf die Autoren einwirken und letztlich auch rechtliche Schritte einleiten.
  4. Woran erinnert mich das? Zum einen an das Agieren sogenannter „Abmahnanwälte“. Deren Geschäftsmodell besteht auch nur darin, das Netz nach vermeintlichen Rechtsbrüchen (falsches Impressum, ungenügende Datenschutzerklärung…) zu durchforsten und daraus Kapital zu schlagen. Nicht eben zu Unrecht gelten diese Gestalten als ziemlicher Abschaum. Zum anderen, und hier wird es bedenklich, muss ich aber auch an die größte DDR aller Zeiten denken. Vor allem zum Ende dieses verblichenen Staates hin hatte die Stasi ihre Methoden immer mehr verfeinert. Auf allzu offensichtliche Repression konnte man weitgehend verzichten. Es genügte das Gefühl „Wir haben dich im Blick“ und „Wir könnten auch ganz anders“, um viele Oppositionelle zu verunsichern und zu lähmen. Genau diese Funktion wird der gesuchte digitale Schnüffler erfüllen.
  5. Welche rechtlichen Möglichkeiten wird er haben? In der Praxis wenige. Denn es gibt kein Gesetz, wirklich keines, welches die Beschreibung oder Kartierung irgendeines Weges verbieten würde. Allerdings wird man sich wohl eines willkürlich verhängten Ordnungsgeldes erwehren müssen. Das kostet dann Zeit und einen Anwalt. Und genau da liegt der Sinn der Aktion: prophylaktisch einschüchtern, nach dem Motto: „Wir beobachten dich!“
  6. Wird es praktische Auswirkungen geben? Ich denke, schon. Rein privat im Netz agierende Personen werden teilweise aufgeben, teilweise auf anonyme Server im Ausland umziehen. Betreiber von Gruppen und Seiten in sozialen Netzwerken werden in vorauseilendem Gehorsam alle Posts durchsuchen müssen, ob da nicht etwa das Schlagwort „Grenzweg“ vorkommt. Es wird sich ein Denunziantentum entwickeln, wenn Hardcore-Grüne einzelne Webangebote beim neuen Digitalsheriff verpetzen. Die geringste Auswirkung dürfte dessen Walten auf Online-Kartenwerke haben. Das größte seiner Art, OSM, funktioniert nach dem Schwarm-Prinzip. Entfernt also Nutzer A einen Weg, kann Nutzer B ihn schon Minuten später wieder eintragen, während Nutzer C ihn dann wieder entfernt und Nutzer D wieder einstellt… Auf die Dauer geht da gar nichts zu zensieren. Und andere beliebte Kartenwerke agieren komplett aus dem Ausland, da ist eh nichts zu machen. Obendrein: löscht man an einer Stelle etwas aus dem Netz, dann taucht es an einem Dutzend anderer Stellen wieder auf.
    Und übrigens müsste der hauptberufliche Anscheißer dann schon mal bei den ansonsten recht handzahmen Kooperationspartnern vom Tourismusverband anfangen. Bei denen gibt es eine “interaktive Karte”, hier. Klickt man, wird man nach hier verlinkt. Und wenn man auf dieser Karte ein wenig sucht, so finden sich jede Menge “verbotene” Wege. Sogar der “ganz toll verbotene” Thorwalder Gratweg ist drauf.
  7. Alles in allem zeigt der Vorgang aber, wie diese Behörde tickt. Der Feind ist ausgemacht, für seine Bekämpfung wird sogar eine neue Stelle geschaffen. Andere Feinde kommen da besser weg. Oder hab ich die Anzeige einfach übersehen, in der zwei Dutzend robuste Forstarbeiter für die Bekämpfung des Borkenkäfers gesucht werden?
  8. Am Ende könnte das Ganze aber durchaus ausgehen wie das Hornberger Schießen. Denn die formulierten Anforderungen an den neuen Mitarbeiter sind ziemlich hoch, die angezeigte monetäre Einstufung eher durchschnittlich und die Stelle obendrein befristet. Echte Profis werden einen Teufel tun, und sich nicht für ein mittelprächtiges Gehalt in einer Behördenstruktur aufreiben und sich obendrein zum Hassobjekt der versammelten Wander- und Kletterszene zu machen. Also dürfte letztlich nicht der Erste und Beste, sondern der Erstbeste eingestellt werden. Und der richtet qua Unvermögen keinen großen Flurschaden an.
  9. Und zum Schluss: bei all dem ist mir ein Gedanke gekommen. Nein, nicht etwa, dass ich mich bewerben wolle. Aber einen mitgeben sollte man den verhinderten Führungsoffizieren schon. Mehr dazu demnächst.

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5 Gedanken zu „Nationalpark sucht Spitzel, Anschwärzer und Anscheißer – in einer Person

  1. Vom ganz speziellen Thema abschweifend, werden Meinungsfreiheit angegriffen und Rechte der Wanderbürger gegenüber Institutionen öffentlichen Rechtes ohne besondere Not, sprich Gefährdung des Gemeinwohls ausgehebelt. Für mich ein Grund, einer Öffentlichen Anfrage nach dem Zweck und Der Verwendung von Steuermitteln nachzufragen. Bei den bekannten lokalen Medien Bekommt Man leider außer einer schönen Kreuzchor- CD keine Antwort, die besagte Institutionen im Einklang mit Ihrer Jahrzehntealten Führungspartei (nach 1990 ! ) schmerzen könnte.
    Peter Zimmermann

  2. Hauptsache, dass Geld von den gelenkten Touristen nehmen und nicht mal mehr die offiziellen Wege sichern und pflegen. Spart Kosten. Das machen die solange, solange noch genug Touristen kommen. Am besten Rechtsschutzversicherung abschließen und gegen unberechtigte Abmahnungen wehren.

  3. Ich finde, dieses “in der Luft Zerreißen” dieser angestrebten Stellenbesetzung beruht auf einer verkürzten Sicht.
    Es geht m.E nicht primär um den Grenzweg oder den Thorwalder Gratweg, sondern ums Boofen. Es gibt da nämlich durchaus Auswüchse, einen regelrechten Boofentourismus ansonsten “bergferner” Gruppen, den ich und viele andere nicht gutheißen, die nach einem Klettertag dann ringsum alle Boofen von solchen Truppen besetzt finden.
    Und wir sollten nicht vergessen, welche schlimme Brände durch Boofer verursacht wurden. Ich denke, haupsächlich hier liegt die Zielrichtung. der Nationalparkverwaltung.

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