Den Boofern geht es an den Kragen

Heilige Scheiße! Das Jahr fängt ja gut an. Wie die Sächsische Zeitung in ihrer Silvesterausgabe schreibt, plant das sächsische Umweltministerium radikale Einschnitte beim Thema „Boofen im Sandstein“. Konkret soll es darum gehen, ein Ticketsystem einzuführen. Zwar sollen die Tickets kostenlos sein, aber mit deren Hilfe kann man dann die Anzahl der im Freien Übernachtenden einschränken. Und man kann nachverfolgen, wer wann und wo übernachtet hat. Obendrein soll das Boofen jetzt tatsächlich nur noch Kletterern erlaubt sein. Mir stäubt sich das Sackhaar, und ich gebe hier mal ein paar Gedanken zur Diskussion frei:

· Wer soll das kontrollieren? Schon jetzt wird der Nationalpark der wachsenden Menge an Boofern nicht mehr Herr. Soll es Nachtstreifen geben?

· Wer kein Ticket hat, wird zunehmend auf die sogenannten „illegalen“ Boofen ausweichen. Sinnhaft?

· Bis 1990 konnte man im Freien übernachten, wo Platz war. Es gab keine „erlaubten“ und keine „illegalen“ Boofen. Trotzdem war die ganze Landschaft danach noch in einem Zustand, der den Titel „Nationalpark“ rechtfertigte.

· Das Umweltministerium wird von einem Grünen (Wolfram Günther) geführt. Ich hetzte nicht so gern, aber hier scheint mir mal wieder die Bezeichnung „Verbotspartei“ angebracht.

· Wie will man kontrollieren, ob tatsächlich nur Kletterer boofen? Reicht ein „Alibi-Seil“ im Rucksack?

· Tatsächlich hat es in der letzten Zeit einige wenige Fälle gegeben, bei denen Schaden entstand. Durch Feuer oder Müll. Rechtfertigen diese Einzelfälle tatsächlich einen derart schweren Eingriff? Auch, wenn ich hier in einen Fettnapf trete: diverse „Einzelfälle“, die mit Messern und Migration zu tun haben, haben bisher gar nichts verändert.

· Sollte der Nationalpark nicht eigentlich froh sein, wenn es junge Leute in die Natur zieht? Denn genau dies, die Vermittlung von naturnahem Leben, ist doch der Sinn eines solchen Konstruktes.

Ich selbst bin übrigens in einem Alter, in dem ich ein weiches Bett einer zugigen Boofe vorziehe. Aber dies nur am Rande.

Gespannt bin ich auf die Reaktion des Sächsischen Bergsteigerbundes. Ich selbst, als Mitglied (und Mitgründer) der IG Stiegen- und Wanderfreunde, werde da wohl nicht befragt. Mit knapp 160 Mitgliedern sind wir nur ein kleiner Player. Der SBB aber hat mehr als 10 000 Mitglieder, an denen kommt keiner vorbei. Ich will nur hoffen, dass der Verband „Eier“ hat und sich kategorisch gegen diese neue Form der Bevormundung stellt. Ansonsten wäre eine uralte und wunderbare Tradition in der Sächsischen Schweiz akut bedroht.

1315218cookie-checkDen Boofern geht es an den Kragen

10 Gedanken zu „Den Boofern geht es an den Kragen

  1. Wir sind auf dem Weg zum Überwachungsstaat – Fingerabdrücke auf dem Perso, Impf-App, electronic cash, …, warum also nicht auch noch Überwachung in der Freizeit?
    Aber solange es 80% der deutschen Bevölkerung in Ordnung finden so, kann Staat ja so weitermachen. Willkommen in der DDR 2.0.

  2. In gewisser Weise kann man die Einschränkungen verstehen, es gibt genug Idioten, die keine Ahnung von Natur und der Sächsischen Schweiz haben und einfach so mal boofen wollen, siehe auch den Artikel hier:
    https://www.saechsische.de/plus/mit-dem-auto-zum-boofen-klettern-nationalpark-touristenboom-saechsische-schweiz-ranger-5236897.html
    Betreff Überwachungsstaat wird oft vergessen, daß es in anderen Ländern teilweise noch viel strenger als bei uns geworden ist, z.B. in der Schweiz. Ich selbst habe 1994 noch am Matterhorn kurz hinter der Hörnlihütte im Freien unter einem Felsblock übernachtet, in der Nähe waren auch Zelte im Geröll aufgebaut, überwiegend von tschechischen und polnischen Bergsteigern, die sich eine Übernachtung in der Hütte nicht leisten konnten. Heute ist Freiübernachten dort strengstens verboten, bei Androhung von bis zu 4000 Euro Strafe. Da sind Tickets zum Boofen doch regelrecht eine humane Lösung. Ganz abgesehen davon werden absolute Naturfreunde sowieso heimlich an abgelegenen unkontrollierten Stellen weiter boofen. Für die ändert sich also nicht viel.

  3. Das Problem liegt doch ganz wo anders.Die Mitarbeiter (Ranger ) werden immer weniger ,weil der Freistaat (CDU geführt ) spart, so wie er es bei der Polizei und im Gesundheitswesen gemacht hat.Nun hat das jetzige grüne Ministerium eine geniale Idee
    gehabt .Herr Günther erfand das Boofenticket.Überwachung wie zu DDR Zeiten ebend Stasimethoden und ich bin mir sicher, demnächst wird das kostenpflichtig.

    1. Es gibt 14 Ranger im Nationalpark. Und im Herbst gabs 2 Stellenausschreibungen für noch 2 zusätzliche Ranger. Es sind also eher mehr als weniger geworden.

  4. Das Problem mit den Boofern ist nicht neu und existierte bereits in den 1980ern. Damals war auch die Idee, Boofen nur für Kletterer zu erlauben, was übrigens der tatsächliche Ausgangspunkt des Boofens im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war.
    Damals sollte man sollte die bergsteigerische Aktivität z.B. mit einer Mitgliedschaft im DWBO nachgewiesen werden. Dann kam die Wende und alles anders.
    – Kontrolle: flächendeckend unmöglich, aber der Druck, erwischt zu werden, wächst.
    – illegale Boofen: wird nicht zu verhindern sein, ob der Eventtouri aus Hamburg auf irgendwelche illegale Boofen ausweicht, zweifle ich an.
    – 1990: 1990 gab es auch noch nicht das Natur-Defizit-Syndrom, die meisten Menschen verstanden noch, was Natur ist, heute ist das umgekehrt
    – Verbotspartei: verbieten ist politisch der einfachste Weg, Ziele durchzusetzen
    – junge Leute in die Natur: hat meine vollste Unterstützung – Kühe sind nicht lila und Enten nicht gelb! Politisch ist im Moment aber eher der Rückzug aus der Natur angesagt. Bloß nichts anfassen, könnte kaputt gehen!

    1. Na ja schockt mich nicht. Das kuschelige Bett ist mir lieber. Die Event-Touristen aus Hamburg & Co werden die illegalen Boofen eh nicht finden und wer soll das eigentlich alles kontrollieren?

      Sorgen macht mir, dass es der Auftakt zu einer Vielzahl weiterer Verbote ist. Letztes Jahr im Urlaub habe ich festgestellt, dass es auch außerhalb des Nationalparks schön ist. Sollen die sich doch Ihre Borkenkäferfichten in den A….

  5. Verstehe die Aufregung nicht ganz hier. So etwas ist in vielen anderen Ländern bereits üblich bei den beliebten ‘Naturerlebnispunkten’, da es immer mehr Menschen gibt, deren Erleben auf Instagram stattfindet und deren Einkommen auch daher kommt..
    Mal als beispiel: In den 90er Jahren gab es bereits ein Ticketsystem in den USA, um zu der beliebten und sehr fotogenen Wave zu wandern. Und gekostet hat es auch und wenn ich mich recht erinnere, dann gab es bestimmte vorgebuchte Plätze und ein Lotteriesystem für den jeweiligen Tag. Da musste man auch seine Adresse angeben. Und das war VOR dem ganzen Bohei mit Influencern und diesem Unsinn. Und denkt auch mal an den Königsbachwasserfall, der quasi kaputtgemacht wurde von den ‘Naturfreunden’ ( diverse Unglücksfälle und Tote inklusive) und nun total gesperrt ist. https://www.suedkurier.de/ueberregional/panorama/zu-viele-selfie-touristen-der-nationalpark-berchtesgaden-will-nun-den-zugang-zum-koenigsbachfall-sperren;art409965,10818627
    Da ist doch so eine Registrierung kein Problem… oder ? Ich sehe hier Meckern auf hohem Niveau.

    1. Na ja ist was dran und eien Lösung zu finden ist wahrlich nicht einfach.

      Yoga Kurse auf der Carola Aussicht, Gesangsverein mit 50 Mann lauthals singend an der Heiligen Stiege, Nacktwanderer, Mountainbiker, Wanderen mit Flipp Flopps oder Büro Schuhen, planlos verirrte mit Smartphone trampeln quer durchs Gelände, Wanderer mit monströser Kletterausrüstung in der Wilden Hölle, Müll besonders die beliebten Tempo Taschentücher, Essensreste in den Felspalten (und sich dann über die Wespen wundern) und so weiter…

      Alles schon gesehen. Sogar völlig planlose Forststeig Wanderer habe ich schon getroffen. Die sollte sich ja dann schon entsprechend vorbereitet haben. Ja wirklich was dran. Viele sind so Natur entfremdet, dass sie nicht mehr wissen wie man sich dort zu verhalten hat. Obwohl es ja überall Schilder gibt auf denen das deutlich in vielen Sprachen beschrieben ist. Auf der Suche nach den wirklich unberührten Flecken, kriechen dann die “wahren” Naturfreunde auch noch in die hinterletzten Ecken.

      Das ist aber nicht nur im Elbsandstein so. Zum Beispiel ist die Zahl der tödlichen Unfälle in den Bayrischen Alpen im Jahr 2021 stark angestiegen.

      Bei mir zu Hause, kann man übrigens genau sehen wie lange der typische Fast Food Drive In Käufer benötigt um seine Mahlzeit dann bei der Autofahrt zu vertilgen. In ganz bestimmten Abstand zu den Verkaufstellen findet man dann die Müllberge am Straßenrand. Achtet mal darauf dürfte bei Euch nicht anders sein.

  6. Jahrelang habe ich gehofft, die Lückenpresse würde recht behalten mit ihren düsteren Touristen-Prognosen für Dresden und den Elbsandstein. Wegen Pegida und rechts wählen würden die Leute wegbleiben, hieß es da. Pustekuchen. Sie kommen (leider) trotzdem und das in Scharen.

    “Der Tourist zerstört das was er sucht, indem er es findet.”
    War ich mir noch vor ein paar Jahren sicher, das ich als Frühaufsteher im Zschirnstein- oder Katzsteingebiet überwiegend allein laufen konnte, gilt das spätestens seit Corona nicht mehr. Jahrelang frühstückte ich ungestört alleine auf dem Lampertstein, im Herbst 2020 dann der Rekord, 26 Leute auf dieser schmalen Aussicht…
    Man kann die Sächsische Schweiz leider nicht mit den Weiten Skandinaviens vergleichen, wo man immer noch bleiben darf, wenn man will. Das Elbsandsteingebirge ist einfach zu klein und zu gut erreichbar. Und so bin auch ich hin- und hergerissen, zwischen der Befürwortung eines Verbots und der Ablehnung des Verbotsstaates.

  7. ~~~Die Geister, die ich rief …~~~
    Der Freistaat Sachsen bewirbt die Region seit vielen Jahren massiv und wundert sich nun wegen der Probleme des Massentourismus.
    Nichtsdestotrotz ist der Nationalpark zu schützen – wenn die Besucher sich nicht verantwortungsbewusst darin verhalten sind regulative Maßnahmen seitens Staats als Betreiber des Nationalparks notwendig.

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