Auf den Spuren eines Wilddiebes–der Jahnslieb

Wussten Sie schon…

…dass es auch in der Sächsischen Schweiz einen Wilddieb gab, der irgendwie zum Volkshelden wurde? Den Karl Stülpner (1762–1841) aus dem Erzgebirge kennt man ja. Aber Carl Gottlieb Diettrich (1825 – 1875) ist außerhalb des Elbsandsteins kaum bekannt. Nur eine kleine Tafel an seinem Geburtshaus in Hinterhermsdorf (Beize) erinnert noch an ihn. Sein Spitzname war Jahnslieb oder kurz Jans (tatsächlich einmal mit „h“ und einmal mit ohne). Bilder von ihm gibt es meines Wissens keine – man belehre mich aber gern eines Besseren.

Geboren wurde er in einer armen Familie. Der Vater, Johann Gottlieb, schlug sich im Sommer als Waldarbeiter, im Winter als Besenbinder, außerdem als Totengräber durch. Es gab acht leibliche Geschwister, dazu hatte Mutter Johanna noch zwei Kinder mit in die Ehe eingebracht.

Es gibt zahlreiche, oft nur mündlich überlieferte, Geschichten über den Jans. So soll er das bürgerliche Leben im Alter von 24 Jahren hinter sich gelassen haben. Zuvor hat er unter anderem als Flößer und Steinbrecher gearbeitet. Es gibt drei Versionen, warum er sich in die Wälder verflüchtigte:

Er wollte sich einer Strafe wegen Holzdiebstahls entziehen.

Er wollte sich vor dem Unterhalt für ein Kind mit einer böhmischen Magd drücken.

Er wollte dem drohenden Militärdienst entgehen.

Wie auch immer, einig sind sich alle Erzählungen darin, dass er die nächsten 18 Jahre im Wald zubrachte, Sommers wie Winters.

In kleinen Episoden ist überliefert, wie er immer wieder dem Staat ein Schnippchen schlug. Und sich nicht nur als Wilddieb, sondern auch als Pascher (Schmuggler) betätigte. Dabei muss er jede Menge tatkräftige Unterstützung von den Einwohnern Hinterhermsdorfs bekommen haben.
Einig sind sich alle Erzählungen darin, dass Jans nie Gewalt gegen Forstbeamte, Polizisten oder Zöllner ausgeübt hat.

Die schnöden Fakten setzen dann im Jahre 1868 wieder ein. Da wurde ein Oberförster Spiller des Jans habhaft, er konnte ihn verhaften. Ihm wurde in Sebnitz der Prozess gemacht und er wurde wegen Wilddieberei, Pascherei und Einbruchdiebstahl zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Fünf Jahre davon saß er in Hohnstein ab, dann wurde er vorzeitig entlassen. Krank und gebrochen soll er die letzten Jahre seines Lebens verbracht haben. Am 9. Januar 1875 starb er, vermutlich an Tuberkulose.

Interessant wird die Suche nach den Verstecken des Jans. Es gibt zwei Überlieferungen.
Die erste verweist auf eine Felsformation in Böhmen, die heute unter dem Namen „Käs und Brot“ (kein Witz!) bekannt ist. Dafür spricht einiges: unterhalb der Formation befindet sich ein großer Felsüberhang, der mit ein wenig Ausbau hervorragenden Schutz bieten würde. Und die Ecke ist damals wie heute kaum begangen. Ein als „Paschersteig“ bekannter Weg führt ganz in der Nähe vorbei, der Name deutet darauf hin, dass hier eifrig geschmuggelt wurde. Dagegen spricht, dass direkt neben der Höhle einst ein künstlich geschaffener Aufstieg existierte – die Drachenstiege. So etwas passt natürlich nicht zu einem Versteck. Allerdings finden sich an den Resten der Stiege Jahreszahlen im Fels, die älteste von 1901. Da war Jans längst Geschichte.

 Felsüberhang bei Käs und Brot (Dank an Axel)
Für Hobbyforscher: heute sind von der Drachenstiege nur noch die Balkenlager in einer ausgesprochen steilen Felskerbe vorhanden. Man kommt aber hoch, wenn auch mit Schnaufen. Der große Felsüberhang existiert natürlich noch, der Paschersteig dagegen ist praktisch unpassierbar.

 Unpassierbar: der Paschersteig

Auf dem Gipfel der Felsformation gibt es einen wunderbaren Aussichtspunkt. Aber: das ganze Gebiet befindet sich in der „1. Zona“ des böhmischen Nationalparks. Man darf es also theoretisch nicht betreten und sollte eines Bußgeldes gewärtig sein.

 Aussicht: Käs und Brot

Die zweite Variante verweist auf eine Schlucht, die heute noch als „Jansloch“ bekannt ist. Gleich daneben Felsen namens „Raubschützenturm“ und „Raubschützennadel“, was auch auf den Wilddieb deutet. Das Jansloch ist eine Seitenschlucht des Kirnitzschtals, hier finden sich ein paar kleinere Höhlen, die zumindest partiell Schutz geboten hätten.

Daneben aber, etwa zehn Minuten von der eigentlichen Schlucht entfernt, die „Bärenhöhle“, die besten Schutz geboten hätte. Neben einer Inschrift mit dem Namen der Höhle findet man in ihr auch noch eine Art ausgeschlägelte Sitzbank. Diese Höhle ist übrigens nicht mit der gleichnamigen am Wanderweg durch die Wolfsschlucht zu verwechseln, welche obendrein nur einen Steinwurf entfernt liegt. Gegen das Jansloch samt Bärenhöhle als Versteck des Wilddiebes spricht aber ein gewichtiges Argument: mindestens seit 1836 gab es hier nach dem Ausbau der Wolfsschlucht, des Königsplatzes, Tunnel Holl und der kompletten Neuanlage des Kerbensteigs regen Tourismus. Zwar ist das Jansloch von keinem dieser Punkte direkt einsehbar, aber ein Feuer oder Geräusche wären sicher aufgefallen. Obendrein war auch die Bärenhöhle einst mit künstlichen Steighilfen zugänglich gemacht worden, hier gibt es aber keine Jahreszahlen im Fels. Wohl aber direkt in der Höhle: kaum noch leserlich – 1844. Was wieder gegen Jans spricht. Schwierig.

 Bärenhöhle

Für Hobbyforscher: durch das Jansloch führte einst ein Wanderweg. Bis zur Gründung des Nationalparks, dann hat man ihn mit Fleiß gesperrt. Es lauert also auch hier ein Bußgeld. Der Weg ist aber noch da und wird, wie sein Zustand verrät, gut begangen. Von der Steiganlage in die Bärenhöhle sind nur noch die Balkenlager übrig, in der verbliebenen sausteilen Spalte kommt man nur mit großem sportlichen Einsatz hoch. Es gibt aber noch einen anderen Weg von oben in die Höhle.

 Jansloch

Ich finde den derzeitigen Zustand mehr als ärgerlich, immerhin hat der Weg einiges an historischer Bedeutung auf dem Buckel. Fragt man nach den Gründen der Sperrung, dann heißt es, der Weg würde nicht benötigt, weil es ja parallel in der Wolfsschlucht schon einen markierten Weg gibt. Einspruch, euer Ehren. Nicht „von A nach B kommen“ steht beim Wandern an erster Stelle. Sondern der Weg als das eigentliche Ziel. Und da haben wir mit Wolfsschlucht und Jansloch zwei Wege von höchst unterschiedlichem Charakter. Und übrigens auch hier nichts an Flora und Fauna, was besonders schützenswert wäre.

 Jansloch

Schließlich noch ein musealer Tipp: im Sebnitzer Heimatmuseum (derzeit allerdings wegen Umbau geschlossen) wird Jans Flinte aufbewahrt. Besonderheit: fast wie bei einem modernen Sturmgewehr konnte die Schulterstütze entfernt werden. So ließ sich das zweigeteilte Schießeisen prima in Rucksack und Stiefelschaft verstecken.

Zum Auffinden der Örtlichkeiten:

Jansloch – eingezeichnet in der Karte „Hinterhermsdorf und die Schleusen“, 1:10 000, Dr.-Ing. Rolf Böhm, Kartographischer Verlag, Bad Schandau

Käs und Brot – eingezeichnet in der Karte „Khaatal“, 1:10 000, Dr.-Ing. Rolf Böhm, Kartographischer Verlag, Bad Schandau

Link zu den Karten

Zum Weiterlesen:

Historisches: Christian Maaz, „Jahnslieb und seine Heimat“, Dresden 1997, Selbstverlag (Daten, Fakten und Anekdoten aus Jans Leben)

Fiktives: Swetlana Neumann: „Jahnslieb – Legende der Sächsisch-Böhmischen Schweiz“, Wiesengrund Verlag, Wiesenburg/Mark 2015 (fiktive Geschichte, in welcher der Jans die Hauptrolle spielt)

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Ein Gedanke zu „Auf den Spuren eines Wilddiebes–der Jahnslieb

  1. Der Kerbensteig wurde 1836 erbaut, der Weg durch die Wolfsschlucht 1843. Das Jansloch folgte erst viel später, es wäre also möglich gewesen, daß der Janslieb sich dort versteckt hat. Aber der Wilddieb Dittrich konnte sehr gut klettern, sogar an einer senkrechten Felswand hoch, siehe diese Inschrift am Fels in 10 Meter Höhe, ab 2:39:
    https://www.youtube.com/watch?v=hrPgmRn74us

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