Auf dieser Tour am Rande der Böhmischen Schweiz erwartet uns: ein wunderbar beschauliches Tal, ein See, mehrere Bilderbuchdörfer, ein altes Sühnekreuz, eine nette Aussicht, ein altes Felsloch mit uralten Treppen, eine Quelle samt Wassermann, ein übel steiler Aufstieg und mit etwas Glück eine Schaar Gämsen. Mehr als genug kleine Höhepunkte am Wegesrand. Also mir nach, Knödel und Pivo gibt es natürlich auch.
Beginnen wir die Runde in Jonsbach (Janská). Etwa mittig an der Dorfstraße führt dort eine kleine Brücke über den Bach, daneben gibt es einen großen Parkplatz. Manchmal scheint der auch kostenpflichtig zu sein, diesmal war er es nicht.
Zu Jonsbach wäre noch zu sagen, dass sich hier die Stollen von Rabstein befinden. Ende des zweiten Weltkrieges sollte dort eine riesige unterirdische Rüstungsfabrik gebaut werden. Immerhin 4,5 Kilometer Stollen sind fertig geworden, was einer großen Anzahl von KZ-Häftlingen das Leben gekostet hat. 80 Tote sind verbürgt, die Dunkelziffer dürfte aber weitaus höher liegen. Produziert wurde in den Stollen aber nie, statt dessen nutzten sie nach dem Krieg tschechische und russische Streitkräfte als Munitionslager. Heute kann man sie nach Voranmeldung besichtigen. Bitte beachten: rechtzeitig anmelden (wir haben es erst einen Tag vorher versucht und kein Glück gehabt), und acht Personen für die Führung zusammenbekommen (wir waren nur vier) Alle Details gibt es hier.
Direkt gegenüber des Parkplatzes sehen wir dann tatsächlich noch einen Hinweis auf die jahrelange Anwesenheit der Roten Armee: an einer Barackenwand grüßt Wladimir Illitsch. Nostalgie pur.
Gut, mit Blick auf den alten Revoluzzer gehen wir rechts, ein ganz kleines Stück auf der Straße lang, um uns gleich wieder rechts in den Wald zu schlagen. Ab jetzt begleitet uns ein gelber Strich als Wegzeichen. Wir sind im Goldbachtal (eine tschechische Bezeichnung gibt es nicht), und haben damit schon den ersten Höhepunkt erreicht: steile Felsen zur Linken und zur Rechten, üppige Vegetation und ein plätscherndes Bächlein. Da geht das Herz auf.
Zum Talende hin geht es dann ein wenig nach oben, und schon sind wir am Ortsrand von Alt-Ohlisch (Stará Oleška) angekommen. Und hier stehen wir am Ufer des Ohlischer Sees. Der ist ziemlich groß, und im Sommer herrscht hier reger Badebetrieb. Derzeit, also Ende April, sind aber nur ein paar Angler vor Ort und die Gastronomie noch geschlossen.
Im Hintergrund: der Rosenberg (Růžák)
Am Ufer entlang erspähen wir schon die Wegemarkierung Blauer Strich, und der folgen wir jetzt. Zunächst geht es ein Stück durch den Ort –schmucke Ferienhäuser, wohin das Auge blickt – und sodann auf bequemen Wegen weiter.
Wir erreichen auf diese Weise Neu-Ohlisch (Nová Oleška), wieder so ein Dorf aus dem Bilderbuch der Dörfer. Schmucke Häuser, ein kleiner See, Andachtskreuze und eine kleine Kapelle am Wegesrand. Die blaue Markierung führt uns ein Stück auf der Dorfstraße lang.
Nachdem wir eine weitere Straße überquert haben, sind wir wieder im Wald, jetzt steigt der Weg langsam, aber stetig an. Auf der Höhe angekommen, finden wir einen Rastplatz vor, der aus zwei wurmstichigen Bänken (Mehr als 100 Kilo Lebendgewicht? Nicht hinsetzen!) und leider auch einem veritablen Müllhaufen besteht.
Kurz danach gabelt sich der Weg. Nach links, dem blauen Punkt nach, wäre falsch (ist uns zunächst passiert). Statt dessen nach rechts und nach wenigen Metern auf eine Autostraße treffen. Die nur weniger als 100 Meter nach links gehen, und wir stehen an Riedels Kreuz.
Das hat, wie viele der Sühnekreuze in der Region, natürlich auch eine Geschichte. Und die geht so:
Der Sage nach wurde an dieser Stelle ein Händler namens Riedel aus Markvartice / Markersdorf auf seiner Rückkehr aus Sachsen von zwei Brüdern überfallen, ausgeraubt und erschlagen. Im Sterben liegend sah Riedel zwei Krähen über sich und rief ihnen zu: “Ihr Krähen – seid meine Zeugen!”
Geraume Zeit später wurde in Riedels Familie / Verwandtschaft eine Hochzeit ausgerichtet, bei der auch die Brüder zu Gast waren. Als diese draußen beieinander standen, flogen zwei Krähen über sie hinweg, worauf der eine zum anderen sprach: “Sieh – Riedels Zeugen!” / “Hle, Riedelovi svědci!”. Das hörte ein Mädchen, hinterbrachte es den übrigen Anwesenden, und die Täter wurden überführt.
Ein bekanntes Sujet, welches in verschiedenen Wandersagen lebt. Durch Friedrich Schillers Ballade “Die Kraniche des Ibykus” fand es Eingang in die Weltliteratur. Der Heimatforscher Anton Amand Paudler schrieb zu “Riedels Zeugen” das Gedicht “Krähenzeugnis”.
Zu sehen sind ein Schwert, drei kleine Kreuze und die Jahreszahl 1792.
Ab jetzt wird der Weiterweg etwas pusselig. Der Wald gegenüber von Riedels Kreuz ist nämlich von dutzenden Wegen durchzogen, die auf allen mir bekannten Karten entweder gar nicht oder nur rudimentär eingezeichnet sind. Zunächst ist es aber noch einfach: direkt gegenüber beginnt ein Waldweg, den wir nehmen. Derzeit war er ziemlich zerfahren von Forstmaschinen.
Der Weg führt in eine kleine Talsenke hinab, dort halten wir uns rechts, wieder aus dem Tal raus. Und ab da heißt es, aufpassen. An allen Abzweigen sollten wir uns Richtung Windisch-Kamnitz, also strikt nach Osten, orientieren. Ein Navi oder ein Kompass hilft hier.
Wir zumindest kamen am Rande einer Wiese heraus, über die ein Pfad entlang von Birken führte.
Am Rande des Pfades steht noch ein gepflegtes Kreuz, Inschrift: “Gott segne unsere Flure.”
Schließlich erreichen wir Windisch-Kamnitz (Srbská Kamenice), und zwar genau von hinten auf Höhe der Kirche.
Einmal umrunden, und dann kurz besichtigen. Die Kirche sieht richtig schmuck aus, sie wurde erst vor wenigen Jahren saniert. Rein kann man nicht, aber hinter einem Gitter schon mal einen Blick auf das üppig geschmückte Kirchenschiff werfen. Irgendwie kommt einem das Gotteshaus viel zu groß vor für so einen kleine Gemeinde. Aber das ist hier nichts ungewöhnliches, in Rosendorf (Růžová) steht noch eine größere. Das hat damit zu tun, dass hier immer viele kleine Orte zu einem Kirchenbezirk vereinigt wurden.
Unterhalb der Kirche sehen wir noch einen sehr gepflegten Friedhof und ein ebenso gepflegtes Kriegerdenkmal aus dem ersten Weltkrieg.
Und obendrein gleich mehrere Gasthäuser. Knedlík! Pivo! Cesnečka! Zeit für eine Einkehr. Gleich gegenüber auch eine Touristinformation, die von einem lustigen Pappkameraden mit Kamera geschmückt wird.
Und direkt gegenüber dieses Pappmännchens geht unser Weg weiter, jetzt wieder mit einem gelben Strich markiert. Er führt uns zunächst an eine üppige Feuchtwiese. Diese ist als Naturdenkmal ausgeschildert, also nicht einfach drüber latschen (gibt eh nur feuchte Schuhe) sondern schön auf dem markierten Weg bleiben.
Nur wenige Meter, und wir kommen an eine putzige Quelle. Die ist mit einem Häuschen versehen, auf dem ein Schild verkündet: “Nenič mne, sloužím všem”. (Sinngemäß: beschädige mich nicht, ich bin für alle da.) Und daneben steht auch eine Tasse zum allgemeinen Gebrauch. Wer also nicht an jeder Ecke gefährliche Keime und Bakterien wittert, darf gern mal vom Quellwasser kosten.
Direkt über der Quelle wacht denn auch ein Quellengeist – oder ist es ein Wassermann? – über das Geschehen. Allerliebst.
Noch ein paar Meter, und ein Wegweiser (gelbes Dreieck) zeigt uns nach links zur Vyhlídka nad Jezírkem (Aussicht über den See), oder einfach nur zur Vyhlídka. Ab jetzt wird es mal ein wenig steil, über Wurzeln und ein paar Treppen geht es zackig den Berg hoch.
Dafür entschädigt der Blick: übers Dorf, in Richtung Rosenberg, und natürlich auf den See. Großes Kino.
Bitte nicht zu kräftig ans Geländer lehnen, selbiges hat schon bessere Zeiten gesehen. Dafür erspähen wir aber ein paar Stufen, die in einen Felsspalt führen. Das ist das Kriegsloch, so genannt, weil sich hier, wie in vielen anderen Felslöchern der Region, Einheimische vor marodierenden Söldnern zu verstecken pflegten. Die ersten Stufen sind noch sehr bequem, dann werden sie recht schmal, abschüssig und abgetreten. Problematisch ist das aber nicht, und schon stehen wir in einer künstlich erweitern Höhle. Auch hier gibt es eine nette Aussicht.
Gut, genug gesehen, wir gehen von der Aussicht auf gleichem Weg zurück zum Hauptweg mit dem gelben Strich. Und jetzt folgt eine gute und eine schlechte Nachricht. Zunächst die gute: der weitere Weg, der uns auf den Huttenberg (Strážiště) führt, ist landschaftlich wunderbar und sehr naturbelassen. Ein wenig uraltes Sandsteinpflaster, ansonsten nur Wurzeln und Steine. Obendrein ein Durchgang durch eine enge Felsgasse. Großartig. Und jetzt die schlechte Nachricht: auf rund einem Kilometer Länge steigt dieser Weg ohne Pause steil an, es wird zum Ende hin gar immer steiler. Mehrere Pausen für längeres Ausschnaufen sollte man hier also einplanen.
Uff! Oben angekommen wird es dann aber wieder ganz entspannt. Ab jetzt schlängelt sich der Weg – immer noch gelber Strich – sanft wieder runter ins Tal. An einer großen Wiese verliert er sich dann plötzlich, aber keine Bange, er ist noch da. Am besten, man nimmt zunächst diesen markanten Baum ins Visier…
…und lässt ihn links liegen. Dahinter kann man dann am gegenüberliegenden Waldrand einen jagdlichen Hochsitz erkennen. Auf den zusteuern, rechts davon geht der markierte Weg weiter.
Über diese Wiese sollst du gehen.
Ab jetzt geht es sehr gemütlich und bequem zu Tal. Am Rande einer weiteren Wiese kann man mit Glück eine ganze Herde Gämsen antreffen. Wir hatten dieses Glück, und ohne große Hast trollten sich die acht bis zehn Tiere bei unserer Annäherung in den Wald. Mit einem Foto war es allerdings Essig, zu groß war unsere Verblüffung über die plötzlich aufgetauchte Herde. Und als wir die Knipsen raus hatten, war die auch schon wieder weg. Schade.
Nach einem weiteren Stück geruhsamen Abstiegs kommen wir am Ortsrand von Jonsbach raus. Noch ein paar Meter auf der Dorfstraße nach links, und wir sind wieder am Parkplatz.
Fazit: knapp 18 Kilometer. Wer sich nicht für Riedels Kreuz interessiert, kann auch direkt von Alt-Ohlisch nach Windisch Kamnitz gehen und damit erheblich abkürzen. Das Goldbachtal, die Aussicht über den See und das Kriegsloch sind zweifellos Höhepunkte, der Aufstieg zum Huttenberg kostet Kraft, ist aber landschaftlich große Klasse.
Und zum Ende hin waren wir natürlich noch in unserer böhmischen Lieblingskneipe. Dort wird schon auf der Getränkekarte Klartext gesprochen. Das ist doch mal ein Wort!
Zum Nachwandern und mehr Details:
Und mal wieder eine obligatorische Bitte: wenn es euch gefallen hat, dann klickt doch bitte auf die Werbung oben rechts. Nur draufklicken, ihr müsst nichts kaufen. Und mir ist die nächste Knoblauchsuppe gesichert.
Interessant sind bestimmt auch die Gedenksteine an den Flugzeugabsturz von 1972.
Lt. wikipedia im Hadergrund.
Danke für den interessanten Bericht!