Amselfallbaude–eine Polemik

Selbiges Plakat hängt am Parkplatz in Rathewalde. Von da ist es ja ein schöner Spaziergang bis zum Amselfall und der gleichnamigen Baude. Na ja, der Spaziergang ist schon noch da. Die Baude allerdings ist seit fünf Jahren geschlossen, die zugehörige Infostelle des Nationalparks ebenso. Der Blick auf den Wasserfall wird durch Baugerüste verstellt. Grund für all das: es kam ein fußballgroßer Steinbrocken runter und landete auf dem Dach der Baude. Seitdem gilt: Lebensgefahr, alles dicht machen. Zugegeben: so ein Brocken, wenn er blöd fällt, kann einem das Lebenslicht ausblasen. Aber seitdem ist exakt nichts mehr heruntergefallen. Und genug Wasser den Grünbach heruntergeflossen, um eine Lösung zu finden. Passiert ist aber gar nichts.
Immerhin gab es hier schon seit 1828 Speis und Trank, die Baude im heutigen Zustand stammt aus den 1920er Jahren.

Warum also tut sich nichts? Ich will hier mal die (natürlich komplett fiktiven) Gedankengänge einer Behörde wiedergeben.

1. Oh Mist, da ist ein Brocken runtergefallen. Kann ich so tun, als wäre nichts gewesen? Nochmal Mist, nein, da gab es Medienberichte. Auf den Schreck ein Käffchen.

2. Kann ich mich rechtlich möglichst in alle Richtungen absichern? Klar, ich sperre alles ab. Wenn dann doch einer durchlatscht und einen Brocken auf den Dätz bekommt – selber schuld. Darauf ein Käffchen.

3. Heiliger Scheiß, da habe ich doch versehentlich einen Hauptwanderweg abgesperrt. Kann passieren, ich hab doch keinen Dunst von der Gegend. Aber die nervigen Lokalpolitiker marodieren vor meinem Dienstzimmer. Da bauen wir mal so Art Dach, unter dem die Wanderer durchlaufen sollen. Piepegal, wie das Ding aussieht und ob es überhaupt Schutz bietet – ich bin erst mal raus. Heidewitzka, darauf ein Käffchen.

4. Bleibt die Sache mit der Baude, und die kann aufwendig und teuer werden. Da will ich doch mal schauen, ob nicht vielleicht jemand anders zuständig sein könnte. Schließlich haben wir hier einen Wust von Behörden, und deren Zuständigkeiten überschneiden sich immer wieder und überall. Na also, da hätten wir doch schon mindesten derer vier bis fünf. „Notwendige Abstimmungen“ klingt immer gut und entledigt mich von der Plage, selbst aktiv werden zu müssen. Darauf ein Käffchen.

5. Den Göttern sei Dank: da ist ja ein Nationalpark drum herum. Na, da wird es doch bestimmt ein Kräutlein oder einen Wurm geben, die durch Arbeiten am Fels vom Aussterben bedroht sein könnten. Auf diese Gefahr werde ich sogleich in einem Rundschreiben hinweisen. Und darüber eine Aktennotiz anlegen. Aber vorher ein Käffchen.

6. Jetzt heißt es, Gutachten zu beauftragen. Gutachten ziehen Zweit-, Dritt- und Gegengutachten nach sich. Das kann dauern. Wie lange habe ich noch bis zur Pensionierung? Könnte klappen. Darauf ein Käffchen.

7. Ach herrjeh, die Anwohner und Touristiker geben keine Ruhe. Alles Provinzler, die eh die Falschen wählen. Aber wartet, ich kriege euch. Ich rufe ein Gesprächsforum und einen Arbeitskreis ins Leben. Klingt doch herrlich basisdemokratisch. Aber ich berufe so viele Leute in diese Gremien, dass die sich nie einigen werden. Bätsch! Kaffee hab ich jetzt aber genug getrunken.

8. Ich kann mich ruhig zurücklehnen: die verschiedenen Behörden spielen Pingpong, die Naturschützer fahnden nach bedrohtem Grünzeug, der Arbeitskreis streitet über Bauvorschriften – das kann sich noch ewig hinziehen. Und ich habe mal wieder das eherne Gesetz jedweder Behördentätigkeit befolgt: „Wer nichts macht, macht keine Fehler!“ Satt des Käffchens ist jetzt ein Glas Sekt fällig.

Genug des Sarkasmus. Aber wenn ich sehe, in welchem Mordstempo an anderer Stelle gehandelt wird (Sie wissen schon…), dann kommt mir die Galle hoch.

Am Rande: dieses Schutzdach sieht einfach billig, primitiv und übel aus. Ein Provisorium für die Ewigkeit. In dem komischen grünen Gaze-Gewebe, welches das Konstrukt umspannt, waren im vergangenen Jahr mehrere Löcher aufgetaucht, damit man wenigstens einen Blick auf den Wasserfall erhaschen konnte. Die sind nicht mehr da, die ganze Umspannung wurde erneuert. Großartiges und schnelles Handeln.

Nochmal am Rande: da hat man sich doch nicht entblödet, ein Schild aufzustellen, welches zum zügigen Durchschreiten des behördlichen Unterstandes auffordert. Im deutschen Teil fehlt da ein Komma und es gibt einen Grammatikfehler (ist – sind), im englischen ist dafür ein „d“ zu viel. Ich weiß, ich bin ein Krümelkacker.

Unsere tschechischen Nachbarn haben es 2015 geschafft, über dem gesamten Ort Herrnskretschen (Hřensko) Felssicherungszäune einzubauen. Über dem ganzen Ort, nicht nur über einer Baude. Dafür hatte es knapp zwei Jahre Planung gebraucht. Die eigentlichen Arbeiten haben dann ein halbes Jahr (!) gedauert. Nur mal so, zum Vergleich.

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7 Gedanken zu „Amselfallbaude–eine Polemik

  1. Wie gut, dass ich Wasserfall, Baude und Infostelle noch in Betrieb erlebt und überlebt habe.

    In diesem Leben wird das hier nichts mehr.

    Sollen die Touristen doch alle zu Bastei fahren und 12 Euro Parkgebühren bezahlen.

    Sicher, dass der Text fiktiv ist? 🙂

  2. So erlebt im Herbst 2023….

    Wir wandern durchs Kirnitzschtal zur Ostrauer Mühle. Auf einmal ist der Weg direkt hinter der Dorfbachklamm gesperrt wegen Baumfällarbeiten. Keine ‘Umleitung ausgeschildert’. Die Strasse erscheint also eine wenig attraktive Option.
    Na gut, dann zurück und die Klamm eben hoch und durch Altendorf. Hat man auch eine schöne Sicht.

    Oi, oi, ganz schönes Gekletter in der Klamm, die Stufen werden immer höher, im oberen Bereich sogar teilweise weggespült. Ist das der richtige Weg? Macht aber richtig Laune, so zu klettern, mhh, also weiter, immer weiter !!
    Oben angekommen dann grosse Verwunderung – die Klamm ist gesperrt, Todesgefahr !!

    Naja, was da wieder alles hätte passieren können 😀
    Ich bedanke mich aber bei wem auch immer, der damals am unteren Ende der Klamm die Sperrhinweise entfernt hatte. Statt stupide die Strasse langzulatschen, eine tadellose Kraxelei durch eine wunderschöne Klamm erlebt.

    Vielleicht allgemein den Wanderern öfter mal die Entscheidung selbst überlasssen, ob sie irgendwo langgehen wollen, oder nicht.

    1. Das ist uns im Februar 2023 ebenfalls passiert. Den Dorfbachklamm von der Ostrauer Mühle nach Altendorf hoch. War nicht ganz standfest, sehr romantisch und ohne bleibende Schäden – Schei.. Natur.

      Auf der Seite “Wegeservice und Wegeinfo” des Nationalparks bleibt die Eintragung der Sperrung nun wohl auf Ewigkeit. Das Leben ist so einfach.

      Auf Hinweise scheinen die Seiteninhaber auch nicht zu reagieren. Meine kürzliche Info zur Sperrung eines Teils des Oberen Liebenweges wegen Baumbruch wird großzügig ignoriert. Ich teilte den Naturfreunden mit, dass die Alternative (Unterer Liebenweg) völlig unpassierbar sei (wegen Baumbruch – gewandert am 29.02.2024). Na ja, es gibt halt wichtigeres, z.B. eine Ausstellung “zum Verhältnis von Mensch und Natur im Nationalparkzentrum Sächsische Schweiz” zu konzipieren. Da sieht bestimmt alles schön aus.

  3. Dein Text und die Gedanken”gänge” gefallen mir außerordentlich gut. Ich denke es wird wie auch sonst immer die Nummer mit der Verantwortung sein. Keiner der Behördenteilnehmer, denn von Mitarbeitern kann man ja nur sprechen, wenn sie auch wirklich MITARBEITEN würden, will sich den Schuh keiner anziehen. Umso schöner ist Dein ganz und gar berechtigter Hinweis zu den tschechischen Nachbarn. Die sind einfach prakmatischer und packen da an, wo man anpacken muss. Danke!

  4. »Unsere tschechischen Nachbarn haben es 2015 geschafft…«
    Die Oberlausitz (*1) war lange Zeit unter Böhmischer Krone verwaltet, vll. sollte man dazu zurückkehren 😉
    (*1: Ja, ich weiß, die Sächsische Schweiz war nie Teil der Oberlausitz, aber man ist immerhin Nachbar.)

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