Neue Grenzübergänge–es wird konkret

In diesem Post hatte ich es schon angesprochen: von tschechischer Seite wird die Öffnung von neuen Grenzübergängen zwischen den Nationalparks gefordert. Inzwischen hat sich der deutsche Tourismusverband dem angeschlossen. Und die Vorschläge konkret gemacht. Ich will sie mal einzeln daraufhin abklopfen, wie groß der Aufwand wäre und inwieweit diese neuen Übergänge auch dem Katastrophenschutz dienen können. Fangen wir an:

1. Niedermühle, Untere Brücke

Selbige wurde 2014 in einer Nacht- und – Nebel – Aktion von der Nationalparkverwaltung abgerissen. Ohne irgendwen, etwa die Stadt Sebnitz oder den Heimatverein, vorher auch nur zu konsultieren. Die Brücke war etwas marode, das genügte.

 Hier war mal eine Brücke

Problem: die noch vorhandene “Obere Brücke” erreicht man nur auf einem recht holprigen Fußpfad, die untere solche dagegen konnte man sehr bequem erreichen, auch mit Kinderwagen oder Rollstuhl.
Für den Tourismus:  könnte hier ein ein sehr attraktiver Weg auch für jene wieder entstehen, die nicht so gut zu Fuß sind.
Für den Katastrophenschutz:  würde ein Weg geschaffen, der auch mit leichten und geländegängigen Fahrzeugen zu befahren wäre.
Aufwand: mittel, eine Brücke ist neu zu bauen, Fundamente sind noch vorhanden.

2. Schönlinder Brücke – Schwarzes Tor

Das war einst einer der attraktivsten Wege der Region. Von Hinterhermsdorf konnte man entspannt bis zur Balzhütte laufen. Die Brücke wurde schon 1945 abgerissen. Hier begann mit dem “Kerbensteig” auch der allererste Weg, der nur für “Sommerfrischler” angelegt wurde. Heute fehlt nicht nur die Brücke, auch der Zugang von deutscher Seite ist nur noch sehr schwer möglich. Auf tschechischer Seite ist der Weg durch das “Schwarze Tor” dagegen sehr gut zu begehen. Der Kerbensteig allerdings ist in ganzer Länge gar nicht mehr begehbar.

 Fundamente sind noch da.

Für den Tourismus: könnte hier eine extrem attraktive Verbindung geschaffen werden, die sicher von beiden Seiten rege genutzt wird. Perspektivisch könnte gar der Kerbensteig wieder erstehen.
Für den Katastrophenschutz: der Weg bliebe ein reiner Fußweg, ein befahren ist nicht möglich. Er würde aber eine beträchtliche Abkürzung darstellen und schwer zugängliches Gelände überhaupt erst erschließen.
Aufwand: beträchtlich. Von deutscher Seite müsste der Zugang ertüchtigt und die Brücke komplett neu gebaut werden. Ob dabei die seit 1945 sich selbst überlassenen Fundamente auch erneuert werden müssten, kann ich nicht beurteilen.

3. Großer Ziegengrund

Auch hier gab es einst eine Brücke über die Kirnitzsch, welche die deutsche NPV in den 1990er Jahren abgerissen hat. Im oberen Bereich befindet sich der “Luchsstein”, welcher noch auf erlaubtem (Um)Weg zugänglich ist. Der untere Bereich bis zur Kirnitzsch gilt als gesperrt und mittlerweile durch Borkenkäferbäume nur noch schwer zu begehen.

 Luchsstein

Für den Tourismus: könnte auch hier eine sehr attraktive Verbindung neu entstehen.
Für den Katastrophenschutz:  je nachdem. Als reiner Fußweg wäre auch dieser Weg eine willkommene Abkürzung für Rettungskräfte. Prinzipiell wäre er aber auch befahrbar (er diente einst gar als Handelsweg). Dann müsste man die fehlende Brücke aber aufwändiger neu aufbauen und den Weg auch aufwändiger frei räumen.
Aufwand: ebenfalls je nachdem. Für einen Fußweg reicht ein einfacher Steg und ein partielles freischneiden, für einen Fahrweg braucht es mehr Aufwand. In jedem Fall aber nicht mehr als mittel.

4. Stimmersdorfer Weg

Darf heute nur noch bis zum “Altarstein” begangen werden. Der weitere Verlauf würde direkt nach Rainwiese (Mezní Louka) führen. Auch dieser Weg ist prinzipiell befahrbar.

 Altarstein

Für den Tourismus: könnte eine schöne Alternativroute geschaffen werden.
Für den Katastrophenschutz:  würde der Weg ein bisher kaum zugängliches Gelände recht einfach erschließen.
Aufwand: recht gering, einfach frei sägen.

5. Großer Zschand

Diese Verbindung springt einem auf der Karte regelrecht ins Gesicht: der hintere Große Zschand, zwischen dem Abzweig zur Hickelhöhle und dem Gabrielensteig. Bis in die 1930er Jahre war das die Hauptverbindung nach Böhmen. Mit Einrichtung der Kernzone des Nationalparks gesperrt. Für die Brandbekämpfung jetzt von der Feuerwehr großflächig wieder frei geschnitten.

 Vor dem Brand: abgesperrt.

Für den Tourismus: würden sich ganz neue, und dennoch sehr alte, Streckenführungen ergeben. Beide Nationalparks würden tatsächlich enger zusammenrücken.
Für den Katastrophenschutz:  wäre das ein immens wichtiger Weg. Zumal er auch von schwererer Technik befahren werden könnte. Und das von beiderseits der Grenze.
Aufwand: fast Null. Der Weg ist schon frei geschnitten. Also einfach Sperrschilder entfernen.

6. Webergrotte

Auch eine Verbindung, welche durch die NPV gesperrt wurde. Heute ist der Aufstieg von der Grotte in Richtung Fremdenweg – Prebischtor nur noch mit einer (für den Normalwanderer) recht halsbrecherischen Kletterei möglich. Eine Treppe an dieser Stelle wurde entfernt. Alle Nase lang versuchen Enthusiasten, hier Abhilfe zu schaffen. Sei es mit einfach als Steighilfe ausgelegten Stämmen oder gar mit gesetzten Steigeisen. Die bisher aber auch alle wieder entfernt wurden.

 Bessere Zeiten: die Holztreppe fehlt heute

Für den Tourismus: ergebe sich auch hier eine extrem attraktive Verbindung. Würde aber nur Verbindung mit einer Freigabe des Fremdenweges (siehe unten) Sinn machen.
Für den Katastrophenschutz: wäre der Weg nicht ganz so bedeutsam, weil er ein Fußweg bleiben würde. Immerhin wäre derzeit recht unwegsames Gelände erschlossen.
Aufwand: mittel. Die Treppe muss neu gebaut werden, die dahinter liegende Schlucht von zahlreichen glitschigen Stämmen beräumt werden.

7. Fremdenweg

Der ist ein absoluter Klassiker und auf jeder alten Wanderkarte dick eingezeichnet. Sein schönster Abschnitt zwischen dem Fuß des Großen Winterbergs und dem Prebischtor wurde zu sozialistischen Zeiten still geduldet, nach Gründung der Nationalparks aber gesperrt und mit Bußgeld belegt. Zur Brandbekämpfung wurde er jetzt wieder großräumig frei geschnitten. Der Zugang zum Prebischtor, welches sich im Privatbesitz befindet, ist aber grimmig verbarrikadiert. Die Sperre kann man nur unter echter Lebensgefahr umturnen – bitte nicht versuchen.

Der “Löwe” am Fremdenweg und die “Panzersperre”.

Für den Tourismus: wäre das ein echter Hammer. Einer der ältesten und schönsten Wege wäre endlich wieder frei. Wenn ich das noch erleben darf…
Für den Katastrophenschutz:  ist der Weg ebenfalls immens wichtig, denn nur über ihn sind die Riffe der Partschenhörner zugänglich. Er kann mit leichtem Gerät auch befahren werden. Auf der Aussicht “Neues Kanapee” können Lösch- und Rettungshubschrauber landen.
Aufwand: technisch sehr gering, der Weg ist schon frei geschnitten. Am Kanapee sieht man sogar noch die Markierung für den Löschhubschrauber. Der Besitzer des Prebischtors muss aber dazu bewegt werden, den hinteren Zugang wieder zu öffnen, was schwierig werden könnte.

8. Silberwände

Eine interessante Verbindung zwischen der Winterbergstraße in Sachsen und Herrnskretschen (Hřensko) in Böhmen. Bisher ganz nahe am Touristentrubel und dennoch sehr ruhig. Besonders interessant: der Silberwandstollen.

 Silberwandstollen

Für den Tourismus: würden hier gleich zwei interessante alt-neue Wege entstehen. Zum einen führt ab dem Stollen ein wunderbarer Pfad immer unterhalb der Silberwände bis in den Langen Grund (dem Zugang zum Prebischtor). Man könnte also das nervige Stück auf der Straße umwandern. Zum anderen führt zwischen Schmilka und Herrnskretschen bisher nur ein ebenfalls öder Weg auf der Straße oder (halblegal) auf der Johannespromenade. Auch dazu wäre das eine willkommene Alternative.
Für den Katastrophenschutz: würde der Weg das gesamte Gebiet oberhalb Herrnskretschens von sächsischer Seite aus erschließen. Mit leichtem Gerät sind die Wege auch befahrbar.
Aufwand: einerseits mäßig, es müssen umgestürzte Bäume beseitigt werden. Der für den Wanderer direkte Abstieg nach Herrnskretschen über den Heusteig wurde aber auch hier von einem Privateigentümer gesperrt (am Hotel “Praha”). Hier muss verhandelt werden. Mit ein paar hundert Metern Umweg kann man die Sperre aber auch heute schon umgehen (durch das Himbeergründel).

Die Chancen

Noch sind das alles Vorschläge der Tourismusverbände beiderseits der Grenze. Die lokale Politik hat aber immerhin schon Unterstützung signalisiert. Jetzt werden sich die Nationalparkverwaltungen äußern müssen. Das ist schon ein kleiner Fortschritt, denn bisher hatten die Diskussionen zum Thema gar nicht erst zugelassen. Das letzte Wort haben dann die Umweltministerien. Die Zustände im tschechischen kenne ich nicht genug, um mir da eine Meinung zu bilden. Dem sächsischen allerdings steht derzeit ein Grüner vor, und da sieht es trübe aus. Aber: im nächsten Jahr wird in Sachsen gewählt, und früher fällt hier ohnehin keine Entscheidung. Also warten wir mal ab und bleiben optimistisch.

Ein wichtiger Link

Rolf Böhm hat auf seiner Webseite eine Karte veröffentlicht, auf der man alle Übergänge gut sehen kann. HIER

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5 Gedanken zu „Neue Grenzübergänge–es wird konkret

  1. Das wäre mal ein positiver Beitrag . Ob letztlich der “Nationalpark” dadurch seine Existenzberechtigung behält, wage ich zu bezweifeln. Aber ganz ohne Kompromisse geht gar nichts.

    1. > Ob letztlich der “Nationalpark” dadurch seine Existenzberechtigung
      Warum denn nicht!? Ganz im Gegenteil, durch die quasi Erweiterung würden die Nationalparks ja wesentlich mehr zusammenwachsen und dadurch auch an Bedeutung gewinnen können.

      Ich sehe das nicht als Kompromiss, sondern der Zuführung der Parks zu ihrem eigentlichen Zweck und das ist die Nutzung durch Wanderer, Bergsteiger und allen anderen Naturbegeisterten.

      Und auch der Tierwelt kann man z.B. durch solche Schilder, die Wege für die Brutzeit sperren, zu ihrer Ruhe helfen. Aber Wege total zu sperren ist nur im selbsherrlichen Interesse irgendwelcher bürokratischer “Naturschützer”.

  2. Immerhin “denkt” man nun mal laut über zusätzliche Grenzübergänge nach. Die Schönlinder Brücke, mein Favorit, ist übrigens oben im Text doch dabei und wurde nicht vergessen. Leider nicht mehr ganz so attraktiv nach dem die Balzhütte abgebrannt ist. Den Stimmersdorfer Weg öffnen wäre auch eine tolle Sache. Wenn es am Ende nur der Große Zschand ist, wäre ja auch schon was gewonnen.

  3. Ich sitze vor alten und aktuellen Karten, schaue auf verschiedene Websites und denke über historische Wegerouten nach, die ich teils begangen habe (manche würde ich zumindest nicht wieder im Frühjahr begehen) oder die mit den vorgeschlagenen Grenzübergängen möglich wären. Dabei denke ich über mögliche Folgen für die Natur nach, besonders wegen des hohen Besucherdruckes “dank” der heutigen Mobilität und erinnere mich an naturferne, repektlose Abenteuertouristen bis hin zum großen Waldbrand vergangenen Sommer`s, bei dem sich scheinbar andere Spuren andeuten.
    Da kann nur geschlussfolgert werden, Streichhölzer verbieten, Autos wahnsinnig verteuern und das Internet gehört sowieso abgeschafft, Xi Jinping macht es vor, alles ganz einfach.

    Kürzlich las ich in der SZ ein schönes Essay von Heike Sabel über ein fantasievolles Wochenende, an dem man “dem Löwen die Pfote streicheln” sollte. Sie hat damit sicher nicht den vom Fremdenweg gemeint, dennoch wünsche ich allen Verantwortlichen etwas Fantasie, Routenführungen über Binnengrenzen (!) des Schengenraumes naturverträglich zu gestalten, sei es räumlich oder eben zeitlich, dazu gab es schon mehrfach durchdachte Vorschläge.

    Immerhin geht es über Entfernungen von 15 oder oft mehr Kilometern zurück zum eigenen Auto oder zum nächsten Verkehrsmittel, die reißt man selten einfach so unbedacht ab. Wie gesagt, das muss man mit Fantasie und Fachwissen gestalten und nicht nur gedankenlos mit der ideologischen Keule um seinen BUND oder die Dresdner Wilhelm-Buck-Straße 2 herum schlagen.

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