Gar kein Zweifel, diese Tour gehört zu meinen Lieblingsrunden im Böhmischen. Weshalb ich sie auch schon einige Male beschrieben habe. Dennoch lohnt es sich immer wieder. Ich habe diesmal bewusst einen Tourverlauf gewählt, der keine Wege in der “Grauzone” beinhaltet, sondern ganz konform zum Landschaftsschutzgebiet ist. Was auch zur Folge hat, dass die Tour so wohl mit den wenigsten Anstrengungen verbunden sein dürfte. Ein paar Kilometer werden es trotzdem, welche vor allem durch herrliche Aussichten, ein paar historische Betrachtungen und relativ wenige Mitwanderer gekennzeichnet sind. Der geneigte Wandermann / –frau / –diverses möge mir also folgen.
Das ist eine Streckenwanderung, das Auto hilft uns da nicht viel weiter. Per Bahn geht es also zunächst nach Tetschen (Děčín). Das funktioniert z.B. mit der Nationalparkbahn U 28 ab Bad Schandau. In der Saison fährt ab dem Dresdner Hauptbahnhof auch ein Wanderexpress (RE 20) mit weniger Zwischenhalten durch.
Je nachdem, wie man schon mit Fahrkarten ausgestattet ist, sollte man rechnen: alle Fahrten dieser Runde (Bahn, Bus, Fähre) sind im Elbe-Labe-Ticket enthalten. Das ist als Familien- oder Gruppenkarte recht günstig (28,50 € für 2 Erwachsene und max. 4 Schüler bis zum 15. Geburtstag / 42 € für maximal 5 Personen), als Einzelticket (20 €) dagegen weniger preiswert. Kommt man anderweitig bis zur Grenze (demnächst vielleicht mit dem 9-Euro-Ticket), dann kann man danach beim tschechischen Schaffner ohne Aufpreis nachlösen. Kostet einen fast schon lächerlichen Euro pro Nase zwischen Grenze und Tetschen, der Schaffner nimmt Euro, aber nur passend. Für den Bus (kommt gleich) braucht es aber Kronen, und zwar Stücker 22 pro Person (0,88€). Kann man wieder (passend) in Münzen beim Einsteigen an einem Automaten bezahlen, Scheine wechselt der Fahrer.
Wir verlassen also den Tetschener Bahnhof und gehen gleich davor rechts. Eine Reihe von Busständen gibt es da, am allerletzten fährt die Linie 201. Als Ziel ist Nemocnice (Krankenhaus) angeschrieben. Selbiges liegt etwas außerhalb, und so kommt bei Deutschen beiderseits der Mauer Nostalgie auf: “Nemocnice na kraji města – Das Krankenhaus am Rande der Stadt”. Der Bus fährt alle 30 Minuten, das Krankenhaus ist die Endstation.
Wir stehen jetzt vor einem kleinen Park. Dahinter erhebt sich der Quaderberg (Stoličná hora oder Kvádrberk). Ein paar mächtige Eichen, Erklärtafeln und sogar ein paar Fitnessgeräte gibt es hier.
Wir sehen jetzt schon eine Markierung Roter Strich. Und mehr müssen wir uns eigentlich nicht merken, denn dieser Markierung folgen wir jetzt eine beträchtliche Strecke lang. Zunächst geht es über Serpentinen auf altem Pflaster nach oben.
Kurz bevor wir ganz oben angekommen sind, können wir noch mal fix nach rechts gehen, da steht ein Wasserwerk im Wald. Es heiß Koellborn, stammt von 1900 und ist noch in Betrieb.
Noch ein paar Meter bergauf, und wir stehen an der Kaiseraussicht (Císařský výhled). Hier gibt es einen Obelisken und vor allem einen gigantischen Rundblick über Tetschen und all die Berge rundum. Das Eingangsbild dieses Beitrages zeigt das hiesige Panorama.
Direkt hinter der Aussicht stand bis 1945 ein beliebtes Ausflugslokal. Das wurde leider, wie so vieles hier, nach dem Krieg geschleift.
Interessant ist das Schicksal des Renaissance-Bogens (ganz rechts im Bild), der – gerettet beim Abriss eines Bürgerhauses in der Altstadt – seitdem als Eingang zum Biergarten diente. Der Bogen hat nämlich das Banausentum überstanden und stand seitdem einfach nur so da. 2006 hat man ihn dann, ehe er auch noch verfiel, fachmännisch ab- und im Garten des Kreismuseums wieder aufgebaut. Also zum zweiten Mal gerettet.
Der Bogen um 2000 und heute
Gehen wir also weiter. Immer stur dem Roten Strich nach. Zunächst entdecken wir allerlei Schnitzwerk im Wald.
Nächstes Ziel ist dann die Elbwarte. Auch dieser putzige Pavillon bot über Jahrzehnte einen traurigen Anblick des Verfalls. Pustekuchen, seit vier Jahren strahlt hier alles wieder im alten Glanz. Es gibt einen herrlichen Ausblick und einen gepflegten Rastplatz dazu.
Noch ein Stückchen auf ruhigem Weg weiter, und es geht nach unten, wir tangieren die Ausläufer des Ortes Loosdorf (Ludvíkovice). Aber wirklich nur tangieren, denn nach einer alten Industriehalle und einem (geruchlosen) Klärwerk geht es schon wieder in den Wald.
Jetzt wird es sofort richtig schön, ein murmelndes Bächlein und ein paar Brücken darüber hinweg schmeicheln dem Auge.
Der Wald weitet sich sodann zu einer Lichtung, auf der wir einen sehr gepflegten Rastplatz, eine Lagerfeuerstelle und diverse Trimm-Dich-Geräte finden. Mal probieren, wie viele Klimmzüge noch gehen. Uff, derer zwei mit Hängen und Würgen.
Hinter diesem Ort der Rast oder der gesundheitlichen Vorsorge geht es dann in Serpentinen erst mal wieder kräftig aufwärts. Oben angekommen stehen wir vor dem Friedhof von Loosdorf. Auch der ist sehr gut in Schuss, neben einer Kapelle, einem “Schwerter zu Pflugscharen-Denkmal” und vielen tschechischen Gräbern sehen wir hier auch einen fantasievollen Umgang mit alten deutschen Gräbern. Während man die nach 1945 anderswo geschändet und zerstört hat, wieder anderswo in den letzten Jahren mühevoll wieder hergerichtet hat, hat man hier aus den traurigen Resten der Gräber eine Art Denkmal gebaut. Da freue ich mich drüber.
Die nächsten Kilometer des Weges lassen sich am Besten als “von Aussicht zu Aussicht” beschreiben. Immer wieder können wir einen Blick auf die Elbe herunter werfen. Höhepunkt dabei ist die eigentliche Rosenkamm-Aussicht (Růžová vyhlídka), die sich (ausgeschildert) rund 300 Meter vom Weg entfernt befindet.
Nach solcherlei aussichtsreichen Kilometern landen wir schließlich auf der sogenannten Allee. Ein schnurgerader Waldweg, der einst das Schloss von Binsdorf (Bynovec), welches aber schon 1790 abgebrannt ist, mit unserem nächsten Ziel, dem Belvedere, verband. Links und rechts grüßen merkwürdige, von Menschenhand geschaffene, Steine. Deren Sinn können bis heute selbst die Heimatforscher nicht erklären.
Außerdem gibt es hier ein paar künstlich geschaffene Feuchtbiotope mit Fröschen und haufenweise Mücken. Zügigen Fußes vorbei.
Nach einem letzten kurzen Anstieg tritt die Allee ins Freie. Wer jetzt sehr scharf nach Rechts späht, der kann das rote Dach des “Falkennestes” am Prebischtor sehen. Und nach links führt ein Abstecher noch einmal zu einem fast schon idyllischen Waldfriedhof.
Wir sind jetzt am Rande des Ortes Elbleiten (Labská Stráň). Immer weiter geradeaus, vorbei an einem Parkplatz, stehen wir am Belvedere (Belvedér). Die Aussichtsterrasse wurde Anfang 1700 von den Clary-Aldringens gebaut und als Unterhaltungs- und Erbauungsplatz des Adels genutzt. Sie gilt als die älteste ausgebaute Aussicht im Elbsandstein. Das Hotel kam 1889 dazu. 160 Meter über der Elbe haben wir mal wieder einen wunderbaren Blick.
Misslich ist allerdings, dass wir nicht mehr so recht einkehren können. Seit ein paar Jahren ist das hier ein Hotel-Garni, die traditionsreiche öffentliche Gaststätte hat geschlossen. Aber immerhin gibt es in der Saison einen Imbiss. Würste, Gulaschsuppe, Smažený sýr und diverse Getränke reichen zumindest für den hohlen Zahn.
Von hier gibt es jetzt genau vier Möglichkeiten des Abstiegs. Zwei davon befinden sich in der Grauzone des Erlaubten, wer mehr wissen will, kann sich ja per Mail erkundigen. Ein weiterer, sehr attraktiver, Abstieg führt (immer noch dem Roten Strich nach) durch den Ort und dann in die Dürrkamnitzschlucht. Das ist ein wirklich tolles Eckchen, nur derzeit (offiziell: bis 27.07.2022) wegen Bauarbeiten gesperrt. Also nehmen wir Abstieg Nummer vier. Zurück zum Parkplatz und dort, nach rechts, dem Grünen Strich gefolgt. Über uralte Serpentinen und stoppeliges Pflaster geht es zackig zu Tale.
Unten angekommen können wir einen Blick über die Elbe auf den Ort Niedergrund (Dolní Žleb) werfen.
Wir gehen scharf rechts. Der Weg zieht sich jetzt über mehrere Kilometer immer oberhalb der parallel verlaufenden Uferstraße hin. Eigentlich sogar ein prima Weg: wenig Höhenunterschied, dafür sehr pfadig. Und von der Straße bekommt man nicht allzu viel mit.
Zur Rechten können wir noch die moosigen Überbleibsel längst vergangener Felsstürze bewundern.
Schließlich sehen wir eine fleißig sprudelnde und sehr eisenhaltige Quelle sowie den Ortseingang von Herrnskretschen (Hřensko).
Auf dem Bürgersteig gehen wir jetzt ins Ortszentrum. Dort findet man neben den zahlreichen Buden vietnamesischer Händler (falsche Markenklamotten, Vogelhäuschen, Schuhe zum einmaligen Gebrauch, Socken im Zehnerpack, Hieb- und Stichwaffen, gebrannte CDs und im Hinterzimmer bewusstseinserweiternde Substanzen) auch viele Gasthäuser. Eine Elbfähre (Winter: 8:30 Uhr – 17:30 Uhr, April bis Ende Oktober: 7:30 Uhr – 21:30 Uhr) bringt uns zurück nach Deutschland an den S-Bahnhof von Schöna. Im Stundentakt (derzeit immer ab :35) geht es zurück Richtung Bad Schandau und Dresden.
Fazit: etliche Kilometer, aber nicht so viel Hoch und Runter, deshalb ganz entspannt zu machen. Runde sechs Stunden. Wunderbare Aussichten auf das Elbtal gleich im Dutzend, dazu noch weitere kleine Höhepunkte. Außer direkt am Belvedere so gut wie keine Mitwanderer. Was will man mehr.
Zum Nachwandern:
Im tiefsten Nebel ruckelt die Bahn durch das bohmische Elbtal. Zwischen den dicken Dunstschwaden zeigen sich die ersten Sonnenstrahlen, funkeln uber den hohen Gipfeln der Schrammsteine und spater den Auslaufern des Rosenkamms. Doch in Decin, am Ausgangspunkt unserer Tour oberhalb der Elbe, ist es erst mal grau und trist. In der alten Stadt, deren sanierte Burgerhauser sich mit alter Sozialismus-Platte abwechseln, ist das Leben ein wenig stehen geblieben. Doch ein paar junge Wandersfrauen und -manner warten auf den Bus, der sie zum Krankenhaus der Stadt bringt, das formlich uber den Dachern thront und der perfekte Startpunkt ist fur eine Tour auf dem Rosenkamm – der Hochflache also, die sich auf der rechtselbischen Seite zwischen Decin und Hrensko ausbreitet.