Rund um Hinterhermsdorf

2017-09-03 11.30.35Soviel vorweg: machen sie diese Tour nicht bei feuchter Witterung, vor allem nicht, wenn der Boden noch schön nass ist. Wir waren so unverfroren und mussten zur Strafe das eine oder andere Mal den Schwanz einziehen, weil es auf glitschigem Untergrund nicht mehr weiter ging. Noch eines vorweg: an einigen Stellen verlassen wir hier den Pfad der Tugend und schleichen in der Kernzone auf Pfaden herum, die aus Sicht der Nationalparkverwaltung gesperrt sind. Man kann die Tour aber auch ganz brav machen, ich werde im Text auf nationalparkkonforme Alternativen hinweisen.

Was also erwartet uns? Jede Menge meist stiller Pfade, das Kirnitzschtal ganz romantisch, knackige Auf- und Abstiege, Bedenkliches an historischem Ort, eine sehr ruhige Aussicht, frisches Quellwasser und das Loch eines alten Wilddiebes. Wir sollten loswandern.

Start ist in Hinterhermsdorf, am Parkplatz “Buchenparkhalle”. Der ist an sich schon recht groß, an Großkampftagen wird zusätzlich eine Wiese für Autos geöffnet. Man findet hier also immer ein Plätzchen. Grund für dieses üppige Platzangebot ist die mehr als beliebte Kahnfahrt an der Oberen Schleuse, die jährlich um die 50 000 Gäste anlockt. Und genau dahin begeben wir uns zunächst.

Immer dem Blauen Strich nach, zunächst an ein paar schönen Wochenendgrundstücken vorbei, dann auf einem breiten Waldweg. Wie gesagt, allein werden wir hier nie sein, der Weg führt eben einfach zu einer der Hauptattraktionen der Sächsischen Schweiz. Dennoch wird er nach einer kurzen Strecke recht schön, aus dem breiten Waldweg wird ein Pfad, der über viele hölzerne Treppenstufen ins Tal führt.

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Bei der Gelegenheit passieren wir auch die Dachshöhle. Eine nur noch schwer zu lesende Inschrift am Fels weist darauf hin.

2017-09-03 10.50.35  Kann man gerade noch lesen

Und nein, nicht der kleine Felsvorsprung ist die Höhle, sondern der schmale Spalt an seiner rechten Seite. Wer schlank ist,kann sich da reinfädeln. Nach knapp zehn Metern weitet sich der Spalt dann zur eigentlichen Dachshöhle aus.

2017-09-03 10.50.43  Junior ist klar im Vorteil

Schließlich passieren wir dieses merkwürdige Gebäude:

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Nein, das ist kein Atombunker, sondern schnöde eine Klobude. Der Architekt war entweder dauerbesoffen, oder er wollte dem Nationalpark eins auswischen.

Noch ein paar Meter, und wir sind an der Anlegestelle für die Kahnfahrt. Hier gibt es auch einen kleinen Imbiss. Wer möchte, kann sich jetzt einschiffen. Die Boote fahren rund 700 Meter auf der Kirnitzsch. Und zwar zwischen Ostern und dem 31. Oktober, immer von 9:30 Uhr bis 16:30 Uhr. Kostenpunkt für die einfache Fahrt: 5 Euro für Erwachsene, 4,50 ermäßigt. Im Preis enthalten: ein paar geschichtliche Erläuterungen sowie eine große Anzahl historisch überlieferter Krabbelwitze durch den Gondoliere.

2017-09-03 11.05.252017-09-03 11.06.322017-09-03 11.21.18  Eine Seefahrt, die ist lustig

Und wer keine Lust auf eine Gondelpartie hat, der folgt einfach weiter dem Blauen Strich. Ich will das hier ausdrücklich empfehlen, denn der Weg ist wunderschön. Schmal, wenig ausgebaut, immer mal hoch und runter. Fantastische Blicke ins Tal gibt es obendrein.

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So gelangen wir, wie auch die Gondelfahrer, an die Staumauer und somit ans Ende der Kahnfahrt. Man sollte mal die paar Stufen zur Mauer heruntersteigen und dort im Fels die zahlreichen historischen Inschriften studieren.

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Weiter dem Blauen Strich gefolgt, zeigt uns der nächste Wegweiser zum Herrmannseck (bequem). Den ignorieren wir zunächst und finden ein paar Meter weiter den Hinweis zum Herrmannseck (steil). Hier gönnen wir uns einen kleinen Abstecher. Einmal rum, sozusagen. Also hoch, zunächst über ein paar Treppen.

2017-09-03 11.49.20  Hier ist alles kein Problem

Um sodann vor einer wirklich engen und steilen Spalte mit eisernen Tritten zu stehen. “Eng” heißt hier: wirklich eng. Mehr als 50 Zentimeter sind es nicht. Große und voluminöse Menschen sollten jetzt dringend den Rucksack abnehmen. Und instinktiv den aufrechten Gang vergessen und auf allen Vieren da hochkrabbeln. Klingt erst mal gruselig, macht aber einen Heidenspaß.

2017-09-03 11.50.50  Hier müssen wir durch

Oben angekommen begrüßt uns dann die Schlegelhütte mit einem hübschen Ausblick ins Tal.

2017-09-03 11.54.48  Schlegelhütte

Hinter der Hütte halten wir uns rechts und finden so den bequemen Aufstieg, den wir jetzt als Abstieg benutzen. Über zwei eiserne Treppen geht es zurück ins Tal und die kleine Runde schließt sich.

2017-09-03 12.02.39  Bequem zurück ins Tal

Wer nichts für enge Spalten übrig hat oder gar mit Platzangst laboriert, der kann sich diesen Abstecher natürlich schenken. Wer dagegen mit Kindern unterwegs ist, der sollte ihn unbedingt mitnehmen, denn die Kurzen werden ob dieser Klettereinlage jubeln.

Für alle geht es jetzt immer noch dem Blauen Strich nach, 30 Meter über dem Niveau der Kirnitzsch. Auf einem schönem Waldpfad, immer ein wenig hoch und runter mit Blicken ins Tal.

2017-09-03 12.06.08  Viel Grün

Das regnerische Wetter hatte hier bei uns zumindest den Vorteil, dass der Pilzbeutel fast von allein immer voller wurde.

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Beim Anblick einiger Pilze mussten wir allerdings Minderjährigen und zart besaiteten Personen die Augen auswaschen.

 

 

 

Schließlich gelangen wir zu unserem ersten Abstecher: wir suchen die Reste der Schönlinder Brücke und den ersten Abschnitt des Kerbensteigs. Der Abstecher beginnt an diesem Felsblock, rechts am Weg. Schwach erkennen wir darauf einen Pfeil, der uns die Richtung zeigt:

2017-09-03 12.21.39  Suchbild: wo ist der Pfeil?

Gegenüber ist die Lage schnell klar: hier führt ganz ohne Frage ein Pfad in die Tiefe.

2017-09-03 12.21.48  Da runter

Nationalparkkonforme Wanderer ignorieren diesen Abzweig, er gilt offiziell als gesperrt. Die vielen Stämme im Weg sind die Reste eines “Verhaus”, mit dem die Nationalparkverwaltung den Weg verbarrikadieren wollte. Hat aber nicht geholfen, man turnt sehr leicht darum herum. Leider wird das im weiteren Wegverlauf anders.

Und hier beginnt auch großer Ärger. Natürlich umgestürzte Bäume haben nämlich im unteren Teil des Pfades beträchtliche Schäden hinterlassen. Teilweise ist der Weg nur noch mühevoll zu begehen. Gerade bei der feuchten Witterung wurden einige Stellen zur glitschigen Rutsche. Wir mussten mehrfach die Hände zu Hilfe nehmen oder gar die Doppelbackenbremse ziehen.

Doch damit nicht genug. Kurz vor Erreichen des Tals zweigt nach rechts der erste Teil des Kerbensteigs ab. Ein Weg, der einst als einer der schönsten im ganzen Sandstein galt. Auch dieser Zugang ist jetzt durch einen mächtigen Baum blockiert. Man kommt nur noch sehr schwer durch.

2017-09-03 12.27.42  Kerbensteig: Zugang blockiert

Mehr zum Kerbensteig ein paar Zeilen weiter unten. Wir steigen zunächst bis ans Flussufer ab. Hier sehen wir die Reste der Schönlinder Brücke, die bis 1945 ins Böhmische führte.

2017-09-03 12.32.29  Brückenlager auf böhmischer Seite

Die Kirnitzsch ist hier sehr flach, man kann durchwaten und dann seine Wanderung Richtung Schwarzes Tor (Černá brána) fortsetzen. Was aber heute nicht unsere Richtung wäre.

Leider sieht es unten am Ufer auch wüst aus. Auch hier haben umgestürzte Bäume einen großen Teil des Talkessels verwüstet. Den Standpunkt für das nachfolgende Foto aus meinen Archiv erreicht man nicht mehr.

Schönlinder Brücke 3  So sah es vor wenigen Jahren noch aus.

Statt dessen heute: große Bäume im Weg und eine dichte Decke aus stacheligem Kraut.

2017-09-03 12.33.24  Sieht nicht mehr gut aus

Alles in allem mehr als ärgerlich, war das hier unten doch früher eine der schönsten Stellen im ganzen Tal der Kirnitzsch. Grummelnd steigen wir also wieder auf, und entdecken dabei immerhin noch ein paar historische Stufen und Inschriften.

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Oben angekommen geht es weiter auf dem markierten Wanderweg (immer noch Blauer Strich), und zwar bis zu einer Felsmurmel mit der Zahl 426.

2017-09-03 13.04.45  Am rechten Wegesrand

Hier begann dann für uns eine ziemliche Pleite. Denn eigentlich wollten wir hier zum dritten Teil des Kerbensteigs absteigen. Dank des richtig nassen Bodens wurde das aber zu einer einzigen Rutschpartie. Als dann nach rund zwei Dritteln des Weges die Schuhe partout keinen Half mehr finden wollten haben wir aufgegeben und sind fluchend wieder aufgestiegen. Merke also erstens: nie bei feuchtem Wetter versuchen, und zweitens: dieser Abstieg ist ja eh verboten. Trotzdem ein paar Bilder aus dem Archiv:

DSCN8541 Major Dieskau Tafel

DSCN8542  Alte Treppenreihe

DSCN8538  Kirnitzschtal am Kerbensteig

Der Kerbensteig, Erklärbär an, war 1836 der erste Weg im Elbsandstein, der ausschließlich für die Sommerfrischler gebaut wurde. Und er war einer der schönsten. Nach 1945 verfiel er allerdings, weil er beiderseits der Grenze entlang führte und die beiden sozialistischen Bruderländer wenig Interesse an derart grenzüberschreitenden Wanderungen zeigten. Brücken wurden abgebrochen und der Weg vergessen. Im vereinten Europa haben die beiden jetzt zuständigen Nationalparkverwaltungen auch kein Interesse an dem Weg, die Bereitschaft, ihn wiederzubeleben, nähert sich Null. Von unten. Erklärbär aus.

Und wer mehr dazu wissen möchte, dem lege ich diese Webseite schwer ans Herz. Hier wird der Weg wirklich en detail beschrieben und mit hunderten Fotos illustriert.

Unter Ausstoßung einiger nicht zitierfähiger Sätze kamen wir also nach diesem Reinfall wieder oben an. Um weiterhin dem Blauen Strich zu folgen. Und zwar bis zu dieser etwas maroden Absperrung:

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Hier scheiden sich wieder die Geister, wobei beide Varianten schön sind. Der brave Wanderer geht links und steigt in die Wolfsschlucht ab. Ein sehr schöner Weg, mit vielen Stufen und einem Durchgang durch eine kleine Höhle.

Der weniger brave Wanderer setzt im kühnen Schwunge über die Absperrung und begibt sich auf den Weg ins Jansloch.

Erklärbär: der Wilddieb Carl Gottlieb Diettrich, genannt “Jans”, soll in dieser Schlucht sein Versteck gehabt haben.

Der Pfad hier ist eindeutig und wohl auch trotz aller Verbote gut begangen, wir können uns nicht verlaufen. Aber einen Abstecher bei trockenem Wetter können wir noch machen: an dieser Wand hoch…

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…und dann nach links haltend in die Bärenhöhle. Bei feuchtem Stein ist diese Wand aber recht schwer zu bezwingen.

DSCN9835  Bärenhöhle

Ein zweiter Zugang zu der Höhle führt direkt von unserem Pfad durch eine sehr steile Felsspalte. Vor Jahrhunderten war die mal mit Spreizhölzern begehbar gemacht worden, wovon heute aber nichts mehr übrig ist. Ehrlich: das ist so übel steil, dass sollte man gar nicht erst versuchen.

DSCN9836 Steile Spalte von oben

2017-09-03 13.24.09  und von unten

Zurück ins Jansloch. Der Weg windet sich jetzt durch ein Tal immer weiter nach unten. Das ist das eigentliche “Loch”, hier ist es immer ein wenig düster und irgendwie sehr romantisch. Einst war dies ein markierter Hauptwanderweg, an einigen Stellen sehen wir auch noch Reste von dessen Befestigung. Die Nationalparkverwaltung hat den Weg gesperrt mit der Begründung “er würde nicht gebraucht”. Da krieg ich einen zu viel.

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An einer Stelle wird es mal ein wenig ausgesetzt, nicht wirklich schlimm. Hier gab es früher sogar ein eisernes Geländer, welches nach Sperrung des Weges natürlich mit Fleiß abgesägt wurde.

2017-09-03 13.46.23 Ausgesetzte Stelle

Und nach einem Abstieg im Zick-Zack landen wir wieder auf dem Hauptwanderweg, der uns jetzt ein gutes Stück am Ufer der Kirnitzsch entlang führt. Streckenweise mäandert der Fluss hier in vielen Kurven durch das sattgrüne Tal. Ein wirklich schönes Stück Natur.

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An einer kleinen Brücke können wir einen erneuten Abstecher machen. Auf böhmischer Seite, hinter der Brücke,lag einst das Dorf Hinterdittersbach. Sieben Häuser, vier davon Kneipen. Hier trafen sich alle Wanderwege, der Ort war so beliebt, dass es sogar Pläne gab, die Kirnitzschtalbahn bis hierher zu verlängern. Nach 1945 wurde alles dem Erdboden gleich gemacht. Heute finden wir aber immerhin noch die Reste der alten Keller, die dank des Einsatzes einer rührigen tschechischen Bürgerinitiative wieder freigelegt wurden.

2017-09-03 15.08.44  Kneipe wäre schöner

Außerdem gibt es hier jetzt einen überdachten Rastplatz, was uns bei dem elenden Dauergepiesel sehr entgegen kam.

Wohl gerastet setzen wir unseren Weg dann auf deutscher Seite immer flussabwärts fort. Allerlei Abzweige nach rechts ignorieren wir zunächst. Am Wegesrand grüßt uns dann aber die Marienquelle. Das Wasser kann man trinken und es mundet auch wirklich.

2017-09-03 15.37.30  Marienquelle

Noch ein Stück weiter im Tal, und wir stoßen auf die Niedere Schleuse. Einst war das eine Station zum Flößen von Stämmen. Heute ist sie nur noch eine interessante Landmarke.

2017-09-03 15.55.26 Niedere Schleuse

Gleich hinter der Niederen Schleuse biegt dann nach rechts der Passgrund ab (Markierung Grüner Punkt). Anfangs moderat, steigt er bald ziemlich knackig an. Auf dem Steilstück kann man noch uraltes Pflaster bewundern.

2017-09-03 16.01.28  Pflasterweg

Kurzfristig wird die Steigung wieder flacher, um dann nochmal kräftig anzuziehen und uns an die Brüdersteine zu bringen. Dort gibt es dann endlich auch eine Aussicht. Noch dazu eine, an der man fast immer allein ist.

2017-09-03 16.23.25  Zugang Brüdersteine

PANO_20170903_162850_1

Womit die Aufstiege dann auch fast erledigt wären. Ab jetzt geht es nur noch minimal nach oben. Wir folgen weiter dem Grünen Punkt, vorbei an einer weiteren Aussicht namens Lindigtblick (kann man mitnehmen, muss man nicht). Sodann wird der Weg breiter und ausgebauter, führt vorbei an einer Baumschule….

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…auf direktem Wege zurück zum Parkplatz an der Buchenparkhalle. Wir sind die Runde rum.

Fazit: Eigentlich mit 14 Kilometern nicht zu lang. Die knackigen Auf- und Abstiege, auch und vor allem das kräftezehrende Geschinde rund um den Kerbensteig, gehen aber doch ganz gut in die Knochen. Die Situation an der früheren Schönlinder Brücke ist großer Mist, da muss man mal überlegen, was zu tun ist. Ansonsten eine Tour mit vielen kleineren Höhepunkten. Und sehr ruhig, lediglich auf dem ersten Stück bis zur Kahnfahrt wird es immer Mitwanderer geben.

Zum Nachwandern:

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