Es war nicht nur eine kleine, nein, es war eine ausgemachte Sensation, mit der die Staatlichen Kunstsammlungen zu Dresden heute in die Öffentlichkeit gingen. Hat doch die Restaurierung von Capar David Friedrichs Meisterwerk „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ mehr als Erstaunliches zu Tage gebracht. Und da olle Caspar David für alle Freunde der Sächsischen Schweiz einfach ein Muss ist, will ich hier auch auf diese wahrlich verblüffende Geschichte eingehen.
Caspar David Friedrich, Porträt von Gerhard von Kügelgen
Worum also geht es? Das Gemälde kennt ja wohl irgendwie jeder. Und wer es in den vergangenen Jahren schon mal im Dresdner Albertinum bewundert hat, der hat es sicher auch wie ich in Erinnerung: herrlich romantisch, aber von den Farben her irgendwie auch ein wenig düster. Eben diese Düsternis, da waren sich die Experten einig, war nicht komplett vom Meister so gewollt, sondern hat sich über die Jahrhunderte als eine Art Patina auf das Bild gelegt. Es war also Zeit für eine großangelegte Restaurierung.
Zwei Jahre lang hat sich eine Expertenteam der Kunstsammlungen um das Bild bemüht. Neben den Dresdner Restauratoren gehörte dem auch Prof. Pirmas Balandis von der Universität Vilnius (Vilniaus universitetas) an, der als Europas größter Experte für die Malerei der Romantik gilt.
„Nachdem das Bild gründlich gereinigt war“, so Balandis heute auf einer Pressekonferenz, „sahen wir deutlich leuchtendere Farben als bisher.“ Damit allerdings, so der Wissenschaftler, hatte man gerechnet. Die eigentliche Sensation verbarg sich in einem kleinen Detail: „Auf einem eher kleinen Bildausschnitt zeigte es sich, dass hier das ursprüngliche Werk übermalt wurde.“
So kennen wir das Bild: romantisch und ein wenig düster.
Die Experten standen jetzt vor der Frage: die neuen Farbschichten abtragen, oder besser an Ort und Stelle lassen? „Wir haben uns dafür entschieden, alles so zu belassen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die Tatsache, dass die nachträglichen Farbschichten, und das kann man anhand der typischen Pinselführung genau nachweisen, von Caspar David Friedrich persönlich aufgebracht worden.“, erläuterte Prof. Balandis. Statt dessen wurde das Bild vor rund einem halben Jahr unter strenger Geheimhaltung in ein mit hochmodernen Computerscannern ausgestattetes Labor in Belgien gebracht und dort „geröntgt“. Mit einem sensationellen Ergebnis: unter den Farbschichten verbarg sich ein wohl gefülltes Bierglas! Das am Computer rekonstruierte Originalbild sah demnach so aus:
Am Computer rekonstruierte Version des Bildes: so hatte es der Meister ursprünglich gemalt. (Quelle: grapje labors, Brüssel) Auffällig sind auch die vergleichsweise leuchtenden und hellen Farben.
„Wir waren zunächst völlig perplex und haben an einen Fehler der Technik geglaubt“, so Prof. Balandis. Aber auch mehrere Gegenproben bewiesen: da ist ein Glas auf dem Bild! Erst gründliche Recherchen brachten die Lösung: „Wir haben in einem norddeutschen Archiv bisher unbeachtete Briefe Caspar David Friedrichs gefunden“, erläuterte Prof. Balandis. „Aus denen geht hervor, dass der Künstler damals recht knapp bei Kasse war und nach einträglichen Auftragsarbeiten suchte. In einer Randnotiz bemerkt er dann, dass er wohl in Verhandlung mit einer Brauerei stehe, die ein Werbemotiv bei ihm in Auftrag gegeben hätte.“
Der weitere Verlauf lässt sich nicht mehr mit Dokumenten belegen, scheint aber recht einfach zu rekonstruieren: das Ursprungsbild, welches dann wohl „Zwei Männer in Betrachtung eines Bieres“ hieß, fand wohl wenig Gefallen bei den Auftraggebern, worauf der Meister einfach die entscheidende Stelle übermalt und den Titel des Bildes geändert hat.
„Damit sind jetzt auch einige Fragen geklärt, die Kunstwissenschaftler schon seit Jahren beschäftigen.“, freute sich Prof. Pirmas Balandis. Denn die Blickachse der beiden Männer hätte schon lange Rätsel aufgegeben. Sie schauen eben nicht direkt auf den Mond, sondern auf einen Punkt darunter. Warum sie das tun, ist jetzt geklärt.
Die Staatlichen Kunstsammlungen erklärten dazu, dass diese Entdeckung sicher in wissenschaftlichen Kreisen für großes Interesse sorgen würde. Das Bild selbst bleibe aber so, wie es ist. Schließlich habe Caspar David Friedrich selbst das Bierglas übermalt, weshalb man die bekannte Version auch als die vom Meister gewünschte Endfassung des Gemäldes betrachten kann. Und auch am Namen des Bildes wird sich nichts ändern: dazu ist es viel zu berühmt.
Was bleibt? Eine wissenschaftliche Sensation, die aber ansonsten an unserem Verhältnis zu den wunderschön romantischen Bildern des Meisters aus unser aller Lieblingsgebirge nicht viel ändern wird. Vielleicht bekomme ich ja spontanen Durst, wenn ich das nächste Mal vor dem Bild stehe. Aber der vergeht auch wieder.
Update, 2.4.2014: Upps, da hat diese ach so sensationelle Meldung doch nur bis zum 2. April Bestand gehabt. Allein die Namen! “Pirmas Balandis”, wörtlich aus dem Litauischen übersetzt: erster April. Und “grapje labors” sind aus dem Niederländischen: scherzhafte Labore. Kein Wunder, dass diesen hanebüchenen Scherz keiner geglaubt hat. Falls doch, hier die Richtigstellung: Caspar David hat natürlich keinen Bierhumpen gemalt, sondern nur einen Mond, und diesen betrachten seine beiden Wanderer seit eh und je. Ob sie nach dieser Betrachtung noch einen gehoben haben, kann die Wissenschaft nicht sagen.
Na das ist ja wirklich eine tolle Geschichte! Schade, dass man es so nicht zu sehen bekommen wird…
Stimmungsvoll, wie das Mondlicht so durch das flüssige Gold scheint und, man beachte auch, wie groß so ein Humpen früher war. Das sind ja mindestens 5 Liter 🙂