Update zur Protestwanderung

Komp-1Eigentlich wollte ich ja morgen einfach zur Protestwanderung der BI „Naturpark Sächsische Schweiz“ gehen und nachher berichten. Allerdings hat sich hier im Vorfeld einiges bewegt, so dass ich jetzt doch noch mal meinen Senf dazugeben muss.
Aber, ganz wichtig: ich spreche hier nicht für die Bürgerinitiative. Dort bin ich auch kein Mitglied. Nicht, weil ich nicht jede der Forderungen unterschreiben könnte, ganz im Gegenteil. Sondern weil ich es merkwürdig fände, wenn ein Dresdner in einer Initiative wäre, die von den unmittelbaren Anwohnern der Malaise ins Leben gerufen wurde.

Hier also die Gedanken, in zwei Teilen, einer Privatperson:

1. Die Kürzung der Demoroute

Es hat sich sicher schon herumgesprochen: die Demo darf nur bis zum Abzweig der Hickelschlüchte gehen, also auf dem Teil des Großen Zschand, der „erlaubt“ ist. Begründet wird das vom zuständigen Landratsamt damit, dass die Demonstrationsfreiheit nur im öffentlichen Raum gilt. Und dieses Stück Weg sei eben gesperrt und damit nicht öffentlich.
Rechtlich ist das sehr wahrscheinlich korrekt.
Aber aus Sicht einer Demokratie scheint es mir zumindest bedenklich, wie hier ein grundsätzliches Recht „durchgereicht“ wird. Und das geht so:

Das Grundgesetz ist erst mal eindeutig, es schreibt in Artikel 8:

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Es kann also Beschränkungen geben. Und hier greift dann das Sächsische Versammlungsgesetz, wir lesen in § 15, Absatz 2:

Die Versammlungsfreiheit begründet kein Zutritts- oder Nutzungsrecht in Bezug auf Flächen, Anlagen und Einrichtungen, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich oder nur zu bestimmten Widmungszwecken eingeschränkt nutzbar sind.

OK, jetzt haben wir zwei Gesetze, die demokratisch beschlossen wurden und somit zu akzeptieren sind. Aber wie wurde dieses Stück Weg zu einem, welches „der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich“ ist?

In zwei Schritten. Es beginnt mit der „Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über den Pflege- und Entwicklungsplan für den Nationalpark Sächsische Schweiz – Teil Wegekonzeption – vom 12. Februar 2001“. Dort sind alle gekennzeichneten Wanderwege akribisch aufgeführt. Und das letzte Stück des Großen Zschand gehört eben nicht dazu.

Und in Schritt zwei greift dann die Nationalparkverordnung von 2003, die es in § 6, Absatz 16 verbietet, in der Kernzone nicht markierte Wege zu benutzen.

Es bleibt als Fazit: zwei demokratisch beschlossene Gesetze werden durch eine Bekanntmachung und eine Verordnung (beide nicht demokratisch beschlossen, sondern per Ordre de Mufti diktiert) soweit ergänzt, dass ihr Kern im Nationalpark nicht mehr greift.

Nochmal: das ist juristisch korrekt und kaum angreifbar. Demokratisch ist es bedenklich.

2. Die Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung

Die sollte man sich zunächst durchlesen, das geht HIER.

Bemerkungen:
1. Es wird auf Gefahren durch umgestürzte oder noch umstürzende Bäume verwiesen. Diese Sorge um das Wohl und Wehe der Teilnehmer erscheint mir doch ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Obendrein mal zwei Bilder zum Vergleich. Das eine: ein Stück auf dem „verbotenen“ Teil des Großen Zschand. Das andere: der erlaubte, ausgeschilderte Wanderweg zwischen Oberer Schleuse und Kirnitzschtal bei Hinterhermsdorf. Sehen sie einen Unterschied in Sachen Gefahr? Ich nicht.

Und natürlich die große Frage: wenn auch auf dem genehmigten Teil der Demo große Gefahren lauern, warum ist dieser Weg nicht ganz gesperrt? So ein Baum kann schließlich nicht nur einem Demoteilnehmer auf den Kopf fallen, sondern auch einem völlig unbeteiligten Wandersmann.

2. Man verweist auf das Angebot einer Gesprächsrunde am Zeughaus, welches von der BI abgelehnt wurde. Ja, so geht das. Solcherlei „Dialogangebote“ haben wir in den vergangenen Jahren nämlich zuhauf gehabt. Etwa in der Corona-Zeit. Oder bis heute landauf, landab, bei der Errichtung von Asylunterkünften. Und um beim Thema zu bleiben: auch für den Nationalpark hat es 2023-2024 drei solcher Gesprächsforen gegeben. Die Ergebnisse sind, egal worum es geht, immer dieselben: man diskutiert ein paar Stunden recht zivilisiert und tauscht Argumente aus. Danach macht die Verwaltung aber genau das, was sie schon vorher machen wollte. Man kann sich den Aufwand also sparen.

3. Mit Verweis auf die Forderungen verschiedener Akteure beiderseits der Grenze auf Öffnung der historischen Wege (Kommunen, Landkreise, Touristiker) ist von “anderen Interessengruppen” die Rede. Sicher, ein Zungenschlag. Aber einer, der irgendwie nach „die üblichen Verdächtigen“ klingt und tief blicken lässt.

4. Man verweist des Weiteren auf bestehende Grenzübergänge und auf verschiedene touristische Projekte beiderseits der Grenze. Das lenkt vom Thema ab. Denn es geht hier eben nicht um einen Wanderbus nach Tyssa oder um Langlauf- und Mountain Bike-Strecken im Bereich Unger und Rugiswalde. Es geht um historisch gewachsene und im allgemeinen Bewusstsein tief verwurzelte Wege. Die Namen haben. Die noch da sind. Die begangen werden.

Auch hier ein Fazit: da scheinen ein paar Nerven blank zu liegen. An anderer Stelle hat die Nationalparkverwaltung nämlich auch schon viel geschmeidiger auf so etwas reagiert.

Bleibt also nochmal der Hinweis: 31.10.2024, Reformationstag, 10 Uhr an der Neumannmühle.

Und noch eine Ergänzung: Rolf Böhm auf Luthers Spuren! Unbedingt lesen! HIER

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