Ja, diesmal geht es über böhmische Dörfer. Genauer: über deren fünf. Auf der etwas langen, aber sehr entspannten Tour sehen wir des Weiteren: zwei nette Aussichten, die eine oder andere Fernsicht, zwei Kirchen, eine Windmühle, einen Aussichtsturm und einen See. Und zu guter Letzt entdecken wir sogar noch einen uralten und fast vergessenen Pfad. Die Höhenlagen, in denen wir unterwegs sind, waren früher übrigens unter dem Namen “Zappenland” bekannt. Aber nein, wir hatten keinen Zappen, sondern eine sehr schöne Tour.
Unser böhmisches Dorf Nummer eins sollte noch das bekannteste seiner Art sein: wir starten in Herrnskretschen (Hřensko). Diesen Ort kennt ja nun ziemlich jeder, sei es als Ausgangspunkt der legendären “Prebischtor-Runde” oder als der Ort, in dem falsche Markenklamotten und echtes Rauschgift von diversen asiatischen Händler feil geboten werden. Parken können wir, wo wir mal eben wollen, die Runde schließt sich hier am Ende wieder. Die Parkplätze direkt am Elbkai sind übrigens kostenlos, die im Ortszentrum dagegen schon frech teuer. Einigermaßen sicher sind sie alle.
Unser Ausgangspunkt ist die große Kreuzung, an der es von der Hauptstraße aus in die Ortsmitte geht. Knapp 50 Meter nach rechts sehen wir dort diese unauffällig Treppe:
Es geht also zunächst ein paar Metallstufen aufwärts, und dann weiter hoch über zahlreiche Steinstufen. Deren Geländer, bei meinem letzten Besuch hier war es noch in einem erbärmlichen Zustand, hat man mittlerweile erneuert. Ein paar Felsmurmeln gibt es links und rechts des Weges schon zu sehen.
Oben angekommen stehen wir an der Aussicht am Elisalexfelsen. Wir können direkt nach unten zur Elbe, nach rechts in den Ortskern von Herrnskretschen oder geradeaus zur Aussicht am Herrenhausfelsen blicken.
Ortskern, Elbe, Herrenhausfelsen
Hier entdecken wir dann auch die Markierung Gelber Strich, die uns noch eine Weile begleiten wird. Folgen wir ihr, geht es zunächst noch über ein paar alte Treppen, dann im Zickzack knackig bergauf. Wir geraten ein wenig ins Schnaufen.
Endlich oben angekommen, können wir uns schon mal knapp 100 Höhenmeter im Fitness-Pass gutschreiben. Und uns darüber freuen, dass der Weg ab jetzt ohne großen Höhenunterschied als bequemer Waldweg weiter verläuft. Leider ist der aber an einigen Stellen durch schweres Forstgerät übel zerfahren. Überall derselbe Mist.
An diesem Hochstand…
…heißt es aufpassen. Denn hier biegt der Gelbe Strich nach rechts ab, was man leicht übersehen kann. Oder genauer: wir haben es übersehen und so noch eine kleine Ehrenrunde gedreht. Es geht jetzt über freies Feld. Schauen wir nach links, so liegt das Massiv des Großen Winterberges samt der Silber- und Flügelwände vor uns ausgebreitet. Wer ganz genau späht, der kann sogar das rote Dach des Restaurants am Prebischtor erkennen. Ich hab mal das Zoom aufgedreht:
Wir erreichen so unser böhmisches Dorf Nummer zwei: Jonsdorf (Janov). Gleich am Ortseingang empfängt uns ein kleiner Teich, dessen Umgebung nett gestaltet wurde.
Und daneben steht eine flügellose Windmühle. Die sollte schon mal abgerissen werden, ehe sich ein Enthusiast ihrer erbarmte, sie sanierte und jetzt als Wohnhaus nutzt. Was ich mir ausgesprochen reizvoll vorstelle.
Wir gehen jetzt in Richtung Ortskern weiter. Dort gibt es in der Saison immerhin drei Gaststätten und einen Imbiss. Derzeit aber haben alle geschlossen. Was nicht weiter schlimm ist, wir sind ja noch nicht so lange auf den Beinen.
Folgen wir weiter dem Gelben Strich, so führt der uns zum Aussichtsturm auf dem Clarsberg (Janovsky vrch). Der steht hier erst seit 2013 und ist eigentlich nur ein Mobilfunk-Mast. Aber eben ein solider solcher mit Treppen hoch und einer Aussichtsplattform oben drauf. Obacht: das Ding schwankt bei Wind recht ordentlich. Und obendrein ist der Blick nach unten durch die Gitterroste nicht jedermanns Sache. Der Ausblick von oben entschädigt aber für einigen Ungemach. Eintritt kostet es keinen.
Blick nach oben und unten
Wieder abgestiegen und weiter dem Gelben Strich gefolgt. Der führt uns jetzt an einem kleinen Zaun entlang, hinter dem sich der gepflegte Rasen des Golfplatzes von Jonsdorf befindet. Vorsicht vor Querschlägern!
Und jetzt wird es schräg: der Wanderweg übersteigt auf einer kleinen Treppe den Zaun des Golfplatzes und überquert den heiligen Rasen. Danach geht es in den Wald.
Irgendwann gesellt sich zu unserem Gelben Strich auch noch ein grüner solcher, beide bringen uns in das böhmische Dorf Nummer drei: Rosendorf (Růžová). Ein winziges Stück müssen wir auf der Straße gehen, um uns dann gleich nach links in diesen Nebenweg zu subtrahieren.
Es geht an vielen schmucken Wochenendhäusern, an einem kleinen Teich mit Wassermann und an einem der hier so zahlreichen Kruzifixe vorbei.
Um an meine persönliche Lieblingsstelle auf dieser Tour zu gelangen. Aufgemerkt: auf dieser völlig unbedeutenden und schmalen Nebenstraße – uns ist nicht ein einziges Auto begegnet – hat man doch tatsächlich eine “verkehrsberuhigende Maßnahme” installiert. Was eigentlich nur eines bedeuten kann: auch in Tschechien gibt es chronisch unterbeschäftigte Mitarbeiter in Straßenbauämtern.
Wir kommen zur Kirche von Rosendorf. Die ist irgendwie für den kleinen Ort viel zu groß, was aber daran liegt, dass hier einst viele kleine Nester zu einem Kirchenbezirk zusammengefasst wurden. Namen wie “Kirchsteig” oder “Kirchleite” deuten noch heute auf die langen Wege hin, auf die man sich einst Sonntags zum Gottesdienst begeben musste. Die hiesige Kirche ist nach Petrus und Paulus benannt. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts war sie zur Ruine verkommen, 1988 gar ausgebrannt. Ab 1990 wurde sie dann zehn Jahre lang saniert und präsentiert sich heute wieder in alter Schönheit.
Direkt gegenüber der Kirche ist ein Wirtshaus, welches auch heute geöffnet hatte. Die übliche bodenständig – gute böhmische Küche zu den üblichen günstigen Preisen. Und dazu eine willkommene Rast nach rund der Hälfte der Strecke.
Wir folgen jetzt ein Stück der Hauptstraße durch den Ort. Am Ortsausgang kommt ein Fußweg neben der Straße hinzu, wir nehmen den und drehen uns mal um. Vor uns erhebt sich so der Hutberg (Pastevní vrch). Oben drauf sehen wir Bauarbeiten. Hier soll mal ein etwas futuristischer Aussichtsturm entstehen, über dessen Aussehen in der Region schon heftig diskutiert wurde.
So soll er mal aussehen (Quelle)
Der Fußweg führt jetzt etwas 300 Meter parallel zur Straße entlang und bringt uns zu einem Kriegerdenkmal aus dem ersten Weltkrieg. Auch dieses ist hervorragend gepflegt und verweist am Sockel auf einen Herrn Spölgen aus Schluckenau als dessen Schöpfer im Jahre 1925.
Am Denkmal verlassen wir die Straße nach rechts, ein Stück geht es übers Feld und über eine nette Brücke.
Erspähen wir dann im Wald zu unserer Linken diese Futterkrippe…
…verlassen wir den Feldweg und setzen unsere Tour auf einem Waldpfad fort, der uns ins böhmische Dorf Nummer vier bringt: nach Arnsdorf (Arnoltice). Wir durchqueren zunächst ein kleines Tal mit einer hölzernen Brücke…
…und steigen auf der anderen Talseite wieder auf, um uns spontan im Dorfkern wiederzufinden. Dort erwarten uns: eine Mariensäule und schon wieder ein Kriegerdenkmal, diesmal für die Opfer des preußisch-österreichischen Krieges. Obendrein auch noch eine große Kirche (Mariä Himmelfahrt), die aber leider in einem eher bedenklichen Zustand ist.
Interessant ist aber der Friedhof an der Kirche. An dessen Mauer wird in Reliefs der Kreuzweg dargestellt.
Wir folgen jetzt auf der Dorfstraße den Ausschilderungen zur Pension “U Lípy”. Direkt hinter dieser beginnt rechts ein Feldweg, der nach einigen hundert Metern zu einem Waldweg wird. Auf diesem geht es weiter, bis wir an diesen verknoteten Baum kommen.
Hier biegen wir scharf nach rechts ab und befinden und jetzt auf der sogenannten “Allee”, einem schnurgeraden Weg. Der diente einst denen von Clary und Aldringen, um von ihrem Schloss ins Binsdorf zur Aussicht am Belveder zu gelangen. Das Schloss ist schon im Jahre 1790 abgebrannt, das Belveder aber existiert noch und soll unser nächstes Ziel sein. Zuvor aber rätseln wir, nicht zum ersten Mal, über die regelmäßig an der Allee aufgestellten Steine und deren Zweck.
Wenn dann die Allee den Wald verlässt, tangieren wir unser böhmisches Dorf Nummer fünf: Elbleiten (Labská Stráň). Zu unserer Rechten sehen wir noch einmal das Massiv der Silber- und Flügelwände. Dann führt der Weg weiter direkt zum Belveder. Diese Aussicht samt Wirtshaus wurde einst tatsächlich zum persönlichen Pläsier derer von Clary-Aldringen angelegt und gilt als die älteste ausgebaute Aussicht im Elbsandstein. Es gibt wunderbare Blicke ins Elbtal.
Auch eine Art künstliche Grotte kann man hier sehen, die wohl früher als Bühne diente. Darüber das Wappen von Clary-Aldringen.
Jetzt geht es an den Abstieg. Schauen wir auf die Aussichtsplattform, so bemerken wir bei genauem Hinschauen links ein paar uralten Treppenstufen. Die werden seit Jahrhunderten kaum noch gepflegt und gelten somit ein wenig als Geheimtipp, obwohl sie auf einigen Karten eingezeichnet sind.
Achtung: die Treppen werden nicht mehr gepflegt und sind somit auch in einem entsprechenden Zustand. Holperig, wackelig, sehr steil, rutschig. Bei feuchtem Wetter oder gar Schnee sollte man sie meiden. Auch dann, wenn man nur mäßig trittfest ist. In diesem Fall geht man zurück zum Parkplatz des Belveder. Dort beginnt ein grün markierter Weg, der im Zickzack ins Tal führt und landschaftlich auch sehr schön ist. Die Runde verlängert sich damit aber um rund zwei Kilometer.
Aber zurück zu unseren Treppen. Für den einigermaßen geübten Wanderer ist der Abstieg ein Genuss: es geht steil durch eine enge Schluckt immer abwärts, viele alte Treppenstufen, teilweise auch noch etwas Eis am Pfad, beidseitig herrliche Felsen. Was will man mehr.
Kurz vor Ende des Abstiegs finden wir sogar noch eine Art Wegweiser: ein auf einen Baum gemalter Pfeil weist nach oben:
Wir aber landen, die Elbe schon im Blick, auf einem Pfad, der etwa 20 Meter oberhalb der Talstraße parallel zu dieser verläuft. Es geht nach rechts weiter. Vom Verkehr auf der Straße bekommt man merkwürdigerweise kaum etwas mit, dafür können mächtige Felsmurmeln am Wegesrand beeindrucken.
Knappe zwei Kilometer diesem Pfad gefolgt, und wir kommen am Ortseingang von Herrnskretschen an. Womit sich unsere Runde geschlossen hätte.
Fazit: gute 19 Kilometer, also nichts für einen Nachmittagsausflug. Aber nur am Anfang ein knackiger Aufstieg und am Ende ein ebensolcher Abstieg, dazwischen kaum Höhenmeter. Deshalb also auch recht entspannt. Die Dörfer, jedes einzelne kannte ich ja schon, mal in so einer Reihung zu besuchen, war ein spannendes Erlebnis. In der Saison sollte es dann auch reichlich Einkehrmöglichkeiten am Wegesrand geben, weshalb man diese Runde gern mit Ruhe nachwandern darf.
Zum Nachwandern:
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Schön beschrieben, leider ist mir der Kurs zu weit
Danke lieber Arndt für deinen Wanderbericht. Auf dem Hutberg war ich 2014 das letzte Mal. Egal was jetzt dort gebaut wird, die Aussicht lohnt sich allemal. Was die seltsamen Steine am Elbleiten -Weg betrifft, so vermutet man, daß diese Abstiegshilfen für die feinen Damen aus dem Schloss Binsdorf waren, wenn sie hoch zu Roß ans Belvedere wollten. Noch ein Tipp von mir: wenn man vom Belvedere aus rechts in Richtung Sucha Kamenice in halber Höhe am Abhang läuft kann man unter anderen alte Steinbrüche bewundern und auch einige Höhlen besuchen (Damenhöhle). Einige haben wir vor Jahren mit dem Roland “befahren” (Roland , ausgewiesener Kenner des Kerbensteiges). Das “befahren” dieser Höhlen ist mir auf Grund von veränderungen meines Leibesumfangs nur noch schwer möglich. ( Ich habe nicht die Hoffnung das sich das jemals wieder ändern wird.)
Einige, nicht alle, dieser Höhlen kenne ich auch. Das Befahren ist seit einiger Zeit wegen allerlei Getier offiziell verboten, wird aber weiter fleißig praktiziert, auch von kommerziellen Anbietern. Es ist auch irgendwie unlogisch, dass diese Höhlen zwar seit vielen Jahrzehnten befahren werden, sich aber dennoch seltenes und scheues Getier da eingenistet haben soll.
Die Steine an der Allee aber klären sich für mich noch nicht. Denn sie stehen in so kurzen Anständen, dass die Damen mehr abgestiegen als geritten sein müssten. Da hilft auch keine Mädchenblase als Erklärung.
Lieber Arndt, hast auch recht was die Mädchenblase betrifft. Wie gesagt, ich schrieb nur eine von anderen gehörte Meinung nach. Sorry, sollte etwas falsch angekommen sein.
Na Arndt, wenn dich die bisherigen Erklärungen zu den Steinen an der Alle von Binsdorf zum Belvedere nicht befriedigen, dann trage doch mal deine eigene Theorie dazu vor. Der Zweck dieser Steine wird sich wohl niemals mehr endgültig klären lassen.
Das Schloß in Binsdorf wurde 1709 erbaut, die Allee kurz danach, wer kann jetzt noch nach über 300 Jahren sagen, warum der Schloßherr Graf von Clary-Aldringen diese Steine errichten ließ. Schon 1793 erwähnt Franz Ambrosius Reuss in seiner Mineralogischen Geographie von Böhmen nur, daß die Steine in der Allee sich aller 100 Ellen auf beiden Seiten einander gegenüberstehen, aber der Zweck der Steine wird nicht erwähnt.
Eine Erklärungsmöglichkeit ist z.B., daß die Damen im Reitsattel aller 50 Meter die Gelegenheit hatten, auf einen solchen Stein abzusteigen, um dann paar Meter zu Fuß zu laufen, das Reitpferd nebenher zu führen und dabei zu quatschen. Vielleicht waren die Steine auch eine Art Begrenzungssteine oder Entfernungssteine. Oder vielleicht hat man Abends im finstern Laternen auf die Steine gestellt, damit die Herrschaften romantisch heimreiten konnten, so eine Art Leuchtfeuer in die Richtung, in die man reiten sollte, deshalb die Steine längsgelegt. Aber dieser Aufwand? Es gibt mehrere Erklärungsversuche dazu, vielleicht hat ja jemand noch eine andere Idee oder findet in alten Akten noch was dazu.