Kurz getestet: der “Weg zur Wildnis”

Mit einigem medialen Buhei wurde kürzlich der „Weg zur Wildnis“ als Lehrpfad eröffnet. Er soll zeigen, wie sich die Natur – hier nach einem Borkenkäferfraß vor rund 15 Jahren – selbst heilen kann. Irritiert hatte mich zunächst die Schlagzeile dazu: „Umweltminister Günther zeigt auf neuem Erlebnisweg die natürliche Dynamik und Selbstheilungskräfte der Natur im Nationalpark“. Nun ja, der Minister zeigte hier eigentlich nur sein Lächeln in die Kamera. Konzipiert und gebaut haben das Andere. Aber wie dem auch sei, man hatte zu einer geführten Besichtigung eingeladen. Ich habe mich dann nicht führen lassen, den Pfad aber trotzdem unter die Lupe genommen. Danach muss ich, frei nach Goethe, sagen: „Drei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“.

Erste Seele: Was also fand ich gut?
  • Solche Pfade ganz allgemein finde ich immer prima. Denn unabhängig vom Erkenntnisgewinn, der mal größer und mal weniger groß ist, zeigen sie immer: Wandersmann, du bist uns willkommen. Wir haben da noch etwas für dich. Fein.
  • Es ist kein Null-Acht-Fuffzehn-Pfad mit den üblichen Erklärbär-Tafeln. Stattdessen wenig Text und viel zu schauen. Gut für die „Generation Instagram“. Aber auch angenehm für mich alten Sack. Längere Texte lese auch ich lieber auf dem Sofa als im Wald.
  • Der Pfad erfüllt seinen Zweck. Der Blick durch die „Guckkästen“ ist erhellend.

 Guckkästen

Zweite Seele: Da bleibe ich neutral.
  • An einigen Stellen ist man dann doch übers Ziel hinausgeschossen. So zeigen einige Guckkästen „Bambis“, die man hier sicher nicht in echt zu sehen bekommt. Und satt eines echten Eichhorns musste ein Pappkamerad herhalten. Ein wenig Disneyland, aber halb so wild.
  • Der Pfad zeigt den erfreulichen Ist-Zustand an genau dieser Stelle. An anderen, ähnlichen Stellen funktioniert die Selbstheilung weniger gut. Am Hochhübel etwa dominieren wieder die eigentlich ungeliebten Fichten, am Rabenstein in Böhmen wächst eine Birken-Monokultur heran. Aber egal, hier an diesem Ort funktioniert es, da darf man es gern auch zeigen.
  • Alles ist aus Holz. Eigentlich schön, aber in fünf bis zehn Jahren muss das dann von Grund auf erneuert werden. Die Vegetation wird in dieser Zeit auch kräftig in den Pfad hineingewachsen sein. Freischneiden? Verbietet sich eigentlich. Wird also dieser Weg das Schicksal anderer, ähnlicher Projekte teilen und nach ein paar Jahren gepflegt vergammeln? Da kann man nur spekulieren.

 Mehr Käfer? Vor allem Borkenkäfer?

Dritte Seele: Da habe ich zu nölen.
  • „Natur Natur sein lassen“ wird als Motto und Mantra gern von der NPV postuliert. Und genau das soll der Pfad ja auch vermitteln. Nur muss man dafür 250 Meter fette Holzbohlen mit teilweise massivem Geländer in den Wald legen? Hätte es ein „richtiger“ Pfad zu ebener Erde, wurzelig und spannend, nicht auch getan? So bleibt das Gefühl von „Botanischer Garten“ statt „Wildnis“.
  • Besonders auffällig ist dieser Widerspruch an der „Selfie-Station“. So etwas hat nun mit „Natur“ absolut nichts zu tun. Mir graust schon vor zahlreichen eitlen Selbstbildnissen in diversen Netzwerken.

Dicke Geländer und Selfie-Halterung

Kleinkram am Rande:
Die ausgesprochen freundlichen und (wie ich beim flüchtigen Zuhören aufschnappte) auch kundigen Führer an diesem Tag waren eben nicht per Pedes – wie es sich geziemt – sondern mit einem der berüchtigten „NPV-Waldpanzer“ gekommen. Zwar unauffällig geparkt, aber doch vorhanden. Leute, Leute, der Anmarsch hierher ist wirklich kein Gewaltakt. Diese großen Pickups haben ihre Berechtigung, wenn Ausrüstung und Material für größere Waldarbeiten transportiert werden muss. Um drei Leute zum Reitsteig zu bringen, sind die Dinger völlig überdimensioniert und ein Widerspruch zum postulierten Gedanken des Nationalparks. Demnächst vielleicht doch erst den Brägen und dann die Füße benutzen.

 Waldpanzer

Ein Fazit:
Alles in allem ist der Pfad eine gute Sache. Gern mehr davon. Wie wäre es mit einem Pfad, der die Waldbrände aufarbeitet? Mit allen Kontroversen wie der Rolle des Totholzes oder der „verhauenen“ Feuerwehrzugänge? Ich würde mich drauf freuen.
Anmarsch:
Am schnellsten von Schmilka aus über den Lehnsteig. Dauert bei gemächlichem Aufstieg mit Sichtung vieler schöner An- und Ausblicke eine gute Stunde. Und kann natürlich mit hervorragenden Touren im Bereich Kleiner- und Großer Winterberg kombiniert werden.

 Quelle: Open Street Map

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7 Gedanken zu „Kurz getestet: der “Weg zur Wildnis”

  1. 1. Was hat der Pfad mit den Affensteinen zu tun?!
    2. Birken, Pappeln, Weiden und Ebereschen sind Pionierbaumarten und die ersten auf abgebrannten Flächen um mit ihren zarten, rasch verrottenden Blättern den ersten Humus zu bilden und ein Kleinklima zu erzeugen (z.B. Rabenstein/Dittersbach). Erst viele Jahre später wachsen dann Hauptbaumarten, die auch eine wesentlich längere Lebenserwartung haben. Die größeren Buchen usw. am Reitsteig waren schon lange vor dem Käfer da und sind deshalb schon so weit entwickelt.

  2. Dieser Pfad ist das reinste Ablenkungsmanöver, um von den großen Problemen abzulenken und sie zu verharmlosen. Das erinnert an DDR-Methoden, kleinste Erfolge wurden öffentlich in den Medien aufgebauscht, für die großen Probleme gabs keine Lösung. Die vielen seit 3 Jahren unpassierbaren Kletterzustiege im Großen Zschand und anderswo werden von der NPV totgeschwiegen und stattdessen Geld und Arbeitskräfte für dieses Projekt ausgegeben. An der Stelle des Pfades herrschen zufällig gerade gute Bodenverhältnisse und es gibt Laubbäume in der Nähe, also gute Voraussetzungen für neuen Wald. Aber die riesigen abgestorbenen Fichtenflächen im Großen Zschand und Hinterhermsdorf werden sich nicht so von allein umgestalten, wie man sich das vorstellt. Das würde mindestens 70 bis 80 Jahre dauern, und dann auch nur in der Mehrzahl wieder mit neuen Fichten. Aber bis dahin geht der Klimawandel weiter, es wird noch mehr Hitzeperioden geben, und weitere Waldbrände. Ein schnellstmöglichst von Menschen durchgeführter Waldumbau wäre notwendig, aber der ist ja im Nationalpark verboten. Also weg mit dem Nationalpark und einen Naturpark ausrufen, da gibts mehr und bessere und schnellere Möglichkeiten für den Waldumbau.

  3. Sie irren Roland! Ihr Kommentar zeigt einen verbitterten Menschen – warum auch immer. Wir brauchen keinen menschengemachten Waldumbau, denn bis heute weiß noch niemand wie es weiter geht, welche Baumartein geeignet wären und wie der Wald von morgen aussehen wird. Und vor allem, was der Klimawandel noch so alles mit sich bringt. Birken-, Pappel- und Weidensamen fliegen weit umher. Ebereschensamen werden durch Vögel verbreitet, auch Bucheckern, Eicheln usw. Die heimischen Baumarten werden sich anpassen, auch wenn vielleicht die eine oder andere Art es nicht großflächig schaffen wird. Die heimischen Baumarten werden ihr jährliches Wachstum verlangsamen. Sie werden kleinere Blätter bzw. Nadeln als Verdunstungsschutz ausbilden. Wir brachen keine Forsten aus Esskastanien und Pinien aus dem Mittelmeerraum.

    1. Herr Augst, danke für Ihre Beiträge hier. Ich unterstelle Ihnen während Ihrer aktiven Dienstzeit bei der NPV ein überdurchnittliches Interresse an Ihrer Arbeit und jetzt im Ruhestand den Willen, eine sachliche Diskusion über Waldumbau, Klima und den Umgang des Nationalparkes mit den aktuellen Themen hier zu führen.
      Ob ich bzw.wir allen Gedanken und Meinungen folgen können, sei erst mal Nebensache.
      Aber nachdenken werden ich/ wir sicherlich über Ihre Argumente.

    2. 1. Warum auch immer? Wer schon mal auf verschiedenen Wegen in den letzten 3 Jahren vor lauter umgestürzten Bäumen nicht mehr weitergekommen ist, oder mit schwerem Kletterrucksack zu gewissen Gipfeln im Großen Zschand nicht mehr hingekommen ist und kurz davor umkehren mußte, weiß, warum manche Leute schlechte Laune haben, wenn es um das Thema Nationalpark geht.
      2. Zum natürlichen Waldumbau: https://bergsteigerbund.de/wp-content/uploads/2022/09/SSI-Heft-38_Waldentwicklung-im-Nationalpark.pdf
      Es wird sich noch zeigen, wer hier alles irrt.

  4. Für die Touris doch ganz prima. Gut zu erreichen, bestens markiert nicht zu lang und Naturerlebnis mit Eichhörnchen, die nicht weglaufen können. Schmutzig kann man sich auch nicht machen und anstrengend ist die Begehung auch nicht. Schnell mal hin, Selfie mit den Kiddies gemacht und im Social Media gepostet und dann schnell zum Parkplatz mit dem (vielleicht elektrischen) SUV oder VAN zu McFastFood.

    Von der wirklichen Natur und was im Elbsandstein tatsächlich los ist hat der Besucher nichts gesehen, aber das grüne Gewissen ist beruhigt. Der Besucher hat das Gefühl etwas Gutes zu tun und die NPV auch. Mal zum Vergleich: Wir werfen unsern Müll in den gelben Sack und geben den Elektroschrott ab und füllen die Altkleider Container und fühlen uns gut dabei. Das das Zeugs sich dann sonst wo auf irgendwelchen Halden in Übersee wieder findet haben wir ob des guten Gefühls schon längst aus dem Fokus.

    Im Kontext des Nationalpark Konzeptes ist die Vorgehensweise korrekt. Man will die Besuchermassen aus einem Großteil des Gebietes bewusst heraus halten und an bestimmten Highlights konzentrieren und da gaukelt man Ihnen die heile Ökowelt vor und beruhigt das Umweltgewissen. Die paar Insider stören dann nicht, wenn sie es überhaupt schaffen durch die zugefallenen Wege zu kommen.

    Das (Nationalpark-) Konzept ist allerdings mehr als fragwürdig. Auch die vielen Experten können irren – bin mir ziemlich sicher, dass die “Natur” da noch einige Überraschungen bereit hält und sich nicht nach Expertenmeinung verhält. Den Bericht vom SSB habe ich gelesen und halte den für fundiert.

    Schlimm finde ich diese “militanten” Naturschützer, die sich gottgleich aufplustern und alle anderen verteufeln. Etwas mehr Pragmatismus und Kompromissbereitschaft wäre angebracht um wirklich tragfähige Lösungen zu haben.

    Umwelt- und Naturschutz kann so einfach sein und schon und im ganz kleinen beginnen. Geht einfach mal durch eine X-beliebige Innenstadt, schaut euch mal Rastplätze an Autobahnen und Bundesstraßen an, geht an Stellen wo sich viele Menschen aufhalten oder achtet beim Wandern mal darauf was alles im Straßengraben oder an Rastplätzen für Wanderer rumliegt. Plastik- und Gasmüll überall, achtlos weg geworfen. Oft fährt dann irgendwann die Mähmaschine drüber und wir wundern uns über das Mikroplastik im Essen

    Persönlich finde ich auf meinen Wanderungen pro Jahr geschätzt ca. für 50 -60 Euro Leergut ohne bewusst danach zu suchen.

    Wir brauchen keine Nationalparks den denen das über strikte Bestimmungen und Verbote geregelt wird. Es muss in den Köpfen der Menschen ein Umdenken geschehen.

    1. Bei den hartgesottenen Naturschützern gibts kein Umdenken, die sind Extremisten und lassen nur ihre Meinung gelten. Die denken, wenn in 100 Jahren die Erde und die Menschen im Klimawandel untergehen, gucken die Nationalparke als kleine grüne Inseln aus dem gestiegenen Meeresspiegel raus, mit jeweils 3 Uhus auf den Palmen.

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